Künstler

Die Künstlerin Nina Annabelle Märkl

Wie kamst Du zur Kunst? Und wie würdest Du Dich selbst beschreiben?

Ich habe mich immer schon dafür interessiert, das, was ich sehe genau zu betrachten und habe mich gefragt, wie die Dinge wären, wenn sie ein bisschen anders wären als so, wie man sie vorfindet.

Um das zu untersuchen, das Gegebene mit seinen Möglichkeiten zu befragen und zu zeigen, braucht man eine Sprache. Meine Sprache ist die Kunst, die sich aus der Beobachtung, dem Filtern und dem Herauslösen mit den Mitteln der Zeichnung speist.

Ich bin experimentierfreudig und suche nach neuen Wegen der Darstellung, die ich so noch nicht gesehen habe, die mich selber überraschen. Ich arbeite stets gleichzeitig an verschiedenen Projekten und mit verschiedenen Ausdrucksformen. Durch das Hin- und Herspringen zwischen verschiedenen Arten der Betrachtung, Formaten und Techniken behält man neben der einzelnen Arbeit immer das größere Ganze, die Zusammenhänge zwischen den Teilkomponenten im Blick.

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Raumansicht: Ausstellung „Torsionen“ Galerie MaxWeberSixFriedrich, München 2016/2017

Wie hat sich Dein Werk über die Jahre hin zu dem verändert, das es jetzt ist?

Von Außen betrachtet könnte man sagen, dass meine Arbeiten immer räumlicher geworden sind: Von der kleinen sehr reduzierten Zeichnung hin zur Rauminstallation, zu begehbaren Konstellationen, in der ein Betrachter seine Perspektive verändern muss, um einen Dialog mit den Arbeiten herzustellen. Oftmals beziehen dabei die Arbeiten den Raum und den Betrachter, auch über Spiegelungen, mit ein.

Ich würde von einem Spiel sprechen, das sich zwischen Nähe und Distanz, tatsächlicher und suggerierter Räumlichkeit, Anziehung und Zurückgeworfen werden auf sich selbst und die Strukturen der eigenen Wahrnehmung entfaltet. Ein Spiel, das sich in den verschiedenen Entwicklungssträngen meiner Arbeit unterschiedlich ausprägt und formuliert.

Die Komponenten, die zu Papier und Tusche dazu kommen wie Holz, Objekte aus spiegelndem Stahl, geschweißte minimalistische Stahlzeichnungen, Glaskugeln in Kombination mit gefaltetem Papier entwickeln sich gleichzeitig mit den Zeichnungen, sie stellen in ihrer skulpturalen Form eine weitere Übersetzung bildnerischer Fragen dar.

Die Fläche des Papiers nehme ich immer schon als möglichen Raum wahr.

In frühen Zeichnungen sah man nur Konstellationen aus Figur und Objekt, manchmal Spuren oder Bewegungsrichtungen. Keine Staffelung von Vorder-, Mittel- und Hintergrund, keine Architektur, nur das Wesentliche wurde ausgewählt. Kaum Details. Der Raum, der da entstand war ein Beziehungsraum zwischen den Dingen der sich auf der weißen Fläche bildete und sich im Kopf des Betrachters vervollständigte.

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Fragmented Fiction 7, 50x36cm

Welche Ideen „verteidigst“ Du in Deiner Kunst?

Ich würde weniger das Wort “verteidigen” verwenden, eher würde ich von vertreten sprechen. Die Reduktion des Wesentlichen mit den Mitteln der Linie, die Klarheit des Ausdrucks, die Unmittelbarkeit der Zeichnung im Wechselspiel mit ihrer Opulenz, dem Detail, dem barockem Ausdruck. Die Idee eines Spiels mit den Möglichkeiten der Dinge, die sich in den unterschiedlichen medialen Ausdrucksformen zugleich vermittelt und dabei kunst- und kulturgeschichtliche Entwicklungen zitiert, reflektiert und transportiert. Die Idee einer Kunst, die zwar ästhetisch ist, aber nicht behaglich, sondern eine Kunst ist, die latente Verunsicherungen als Bild, als Gegenüber, als Fragestellung aufwirft.

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Raumansicht: Ausstellung „Aggregate und Zustände“, Galerie Straihammer und Seidenschwann, Wien, 2017

Wie gehst Du vor, wenn Du mit einem neuen Werk beginnst?

Das ist sehr unterschiedlich. Wenn ich für einen konkreten Ort im privaten oder öffentlichen Raum eine Arbeit entwickle, setze ich mich zuerst mit diesem Ort, seinen Fragestellungen und Gegebenheiten auseinander und überlege mir, was ich an dieser Stelle dazu setzen soll oder kann. Was Sinn macht.

Wenn ich eine große Zeichnung oder einen Zyklus an Zeichnungen angehe, stelle ich mir das Bild als Inszenierung vor. Halte vor allem schriftlich die Möglichkeiten der Entwicklung von Figuren, Geschehen, Gewichtungen und Spannungsverhältnissen fest und versuche dafür eine Form zu finden. Direkt auf dem Papier, ohne Skizzen, beginne ich an der Stelle zu zeichnen, die für mich als Startpunkt logische erscheint.

Oftmals bleiben meine Gedanken oder Regieanweisungen an mich selbst auf dem großen Blatt stehen. Stets mit Bleistift.

Kleine Zeichnungen entstehen parallel über längere Zeiträume und umkreisen oft ein spezifisches Thema in seinen möglichen Ausprägungsformen. Sie sind meist reduzierter, spontaner und stellen meist spezifische Konstellationen dar.

Manchmal entwickle ich auch Metazeichnungen parallel zu Installationen, die mögliche Entwicklungen einer Konstellation im Raum beschreiben.

Objekte und Installationen entstehen einzeln oder in Gruppen, dafür gibt es kein festes Vorgehen. Das Einzige was ich dazu sagen kann, ist, dass eine Installation als Dialog mit dem Raum beginnt, in dem Stück für Stück einzelne Objekte und Zeichnungen ihre Stimme und ihre Rolle finden. Thematisch sind die Objekte und Zeichnungen die Teil einer Installation werden schon zuvor festgelegt, ihr Zusammenhang entsteht aber oftmals erst in einer spezifischen räumlichen Situation. In einem anderen räumlichen Zusammenhang würde etwas ganz anderes entstehen.

Oftmals greife ich für die Entwicklung meiner Arbeiten auch kunst- oder kulturgeschichtliche Konzepte auf, die zu Teilen meiner bildnerischen Übersetzungsprozesse werden.

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Dancer, 46x40cm

Experimentierst Du auch einmal mit deiner Technik und hast du bereits andere künstlerische Ausdrucksformen probiert?

Meine Arbeiten bewegen sich stets an der Schnittstelle zwischen Zeichnung, Installation und Skulptur. Dabei mache ich keinen Unterschied zwischen Zeichnung und Skulptur, da es der Blick ist, der die Zeichnung zur (möglichen) Skulptur und umgekehrt die Skulptur zur Zeichnung macht.

Ich experimentiere viel mit unterschiedlichen Materialien, die ich verändere, zweckentfremde, zu Präsentationsformen für Zeichnungen und Objekten, zu Teilen von Zeichnungen mache.

Eigentlich sind es Findungen. Oftmals weiß ich erst nach sehr langer Zeit, welche Rolle ein Material, ein gefundenes Objekt, ein Fragment innerhalb meiner Arbeit spielen wird.

Jedes Material wird in seiner Funktion und seinen möglichen Bedeutungen im Bezug auf ein Kunstwerk durchlässig. Ich spiele mit dieser Durchlässigkeit, verschiebe die Ordnungen.

Jede Zeichnung, jedes Objekt, jedes Modul ist dabei ein Akteur auf dem Spielfeld der Bedeutungsmöglichkeiten.

Die Verbindung verschiedener Materialien und Techniken ermöglicht es mir auf formaler Ebene, die Grenzen der Gattungen ebenso aufzulösen, wie sich thematisch Figur und Gegenstand in zeichenhaftes Kürzel, technisches Fragment in organischen Körper, Erkennen in Nichterkennen, Gegenständlichkeit in Abstraktion, Nähe in Distanz lösen.

In ihrer Durchlässigkeit erzeugen sie einen Raum, der im Kippmoment zwischen verschiedenen Realitätsebenen oszilliert.

Das ist eigentlich ein permanentes Experiment, das sich zwischen verschiedenen bildnerischen Ausdrucksformen bewegt.

Diese verschiedenen Ausdrucksformen sind wichtig, weil ich eine zweite wesentliche Aufgabe der Kunst in der Übersetzung sehe. Kunst ist ein permanenter Übersetzungsprozess der Dinge des Lebens in eine Sprache, die über die verbale Sprache hinausgeht und dadurch Gegenstände, also Kunstwerke erzeugt, die auf intuitive Weise wirken, Sehgewohnheiten durchbrechen und so zur Reflexion anregen.

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Und in wie fern hast Du die Zeichnung als die richtige Kunstform für Dich erkoren?‌

Die Zeichnung ist ein kompromissloses Medium. Die mit Tusche gezogene Linie ist nicht revidierbar. Jede Spur, jede Entscheidung bleibt auf dem Blatt sichtbar. Das ist wie im Leben. Nur eben betrachtbar: als sichtbares Erzeugnis bildnerischer Entscheidungsprozesse.

Das ist, selbst bei irritierenden oder verstörenden Zeichnungen durchaus tröstlich. Die Betrachtbarkeit suggeriert eine Kontrolle über die Dinge…

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Ausstellung: PERMEABLE ENTITIES | INSTALLATION | ARTOTHEK MÜNCHEN | 2016/2017

Die Webseite der Künstlerin:http://ninamaerkl.com/

Nina Annabelle Märkl auf Singulart:https://www.singulart.com/de/k%C3%BCnstler/nina-annabelle-m%C3%A4rkl-672

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