Wie kamen Sie zur Kunst?
„Kunst“ interessierte mich schon so lange ich denken kann. Schon als Kind habe ich viel gezeichnet und stundenlang mit Knetmasse gespielt. Damals war wohl die Vorstellung, eigene Welten zu erschaffen, höchst anziehend. Bereits als Jugendlicher war ich fasziniert vom Abstrakten Expressionismus. Bewegung, Kraft, Energie – sichtbar gebannt auf einen Träger. Analog dazu habe ich in amateurhafter Pollock-Manier Skateboards und T-Shirts für Freunde bemalt. Dass ich Kunst studieren musste, wusste ich aber schon damals. Als ich dann nach dem Abitur die Karlsruher Kunstakademie besichtigte, war ich sofort verliebt!
Wie würden Sie sich und Ihre Arbeit als Künstler beschreiben?
Das Kunstmachen ist für mich immer eine sehr egozentrische Angelegenheit. Man ist im ständigen Zwiegespräch mit dem Werk und möchte erst nach Vollendung Kontakt mit der Öffentlichkeit, schirmt sich ab. Um diesen künstlerischen Autismus zu umgehen und um auch mit anderen Künstlern regen Austausch zu pflegen, habe ich mit zwei Freunden 2014 die Plattform „größer Null“ in Karlsruhe gegründet. Im Kunstmachen selbst befriedigt sich jedoch für mich eine kindliche Sehnsucht, die ich gerne metaphorisch als Griff in den Zauberspielkasten bezeichne. Der künstlerische Transformationsprozess stellt für mich eine Möglichkeit dar, aus alltäglichen Materialien höchst ästhetische Objekte zu generieren. Dieses Spiel bedeutet für mich Freiheit und Lustgewinn zugleich.
The Big White Dipper, 2016, 40x41cm
Sie arbeiten auch mit Einsatz von Alltagsmaterialien wie Folien oder PU-Schaum. Wie hat sich Ihre Arbeit über die Jahre verändert hin zu dem, wie sie jetzt ist und welche Materialien oder Techniken wollen Sie noch einmal ausprobieren?
Mich reizte schon immer die haptische Qualität bei Kunstwerken. Arbeiten, die mehrere Sinne ansprechen, faszinieren mich. Viele meiner Arbeiten changieren daher zwischen Malerei und Objektkunst, haben neben dem malerischen Illusionismus noch eine starke physische Komponente. Das Einbeziehen von Werkstoffen wie Textilien, Folien, PU-Schaum und Kunststoffen führt zur Erweiterung der malerischen Möglichkeiten. Bei Materialien und Techniken probiere ich eigentlich alles aus, was in mir einen Reiz auslöst. Im Atelier arbeite ich nebenbei auch an Farb-Skulpturen, die durch jeden neuen Farbauftrag wachsen – prinzipiell nie fertig werden.
Welche Ideen vertreten Sie in Ihren Werken?
Auf der ersten Ebene bin ich ganz ein Kind unserer eklektizistischen Zeit – mit einem Fable für Kitsch, Sampling und Retro-Ästhetik.
So findet bei den entstehenden manieristischen Objekten und Materialbildern ein Formenvokabular Verwendung, das sich bewusst aus kanonisierten Bildsprachen speist. Es entstehen paradoxe Gebilde von großer farblicher und haptischer Anziehungskraft mit geradezu abweisend spiegelnden Oberflächen. Das scheinbar Artifizielle, auf die Oberfläche Zielende, ist kein Hang zur Oberflächlichkeit, sondern Spiel und Methode. Dies äußert sich in einem affirmativen Hang zur Schönheit, ein auf Augenlust gerichtetes Kunstverständnis, das gerade in unserer Zeit zunehmende Verbreitung findet.
Auf der Metaebene setze ich mich leidenschaftlich mit Bild- und Zeichentheorien auseinander.
Der Diskurs zur „Bilderlüge“ ist für mich Kernpunkt und Katalysator. Bei meinen Arbeiten wird die starre Form und der malerische Illusionismus des Tafelbildes aufgebrochen, sodass Shaped-Canvaces entstehen, die mit der innerbildlichen Struktur korrespondieren.
I love the Universe, 2015, 53x73cm
Können Sie uns etwas zum Werk „Zapfenstreich“ erzählen?
Bei dem Werk „Zapfenstreich“ aus dem Jahr 2017 verformt sich mit den fließenden Streifen das gesamte Bild, sodass am unteren Rand die auswuchernden „Zapfen“ entstehen. Neben der ablesbar zeitlichen Komponente generiert hier die fließende Farbmaterie nahezu selbst ihre Bild-Form. Bild und Träger verschmelzen so zu einer neuen strukturellen Einheit. Der verfolgte Ansatz bringt die Differenz zwischen der rein visuellen Repräsentation und dem eigentlichen Material in ein neues Verhältnis: Der Bildträger ist nicht mehr von seinem visuellen Bild verschieden, sondern die Form des Trägers und das Bild bedingen sich wechselseitig. Dergestalt richtet sich der „Zapfenstreich“ augenzwinkernd gegen den zeitgenössischen Körperdiskurs, gegen dessen Entmaterialisierungsgedanken und das Übergewicht der digitalen Medien.
Zapfenstreich, 2017, 46x61cm
Sie lehren auch Kunst – in wie fern bereichert Sie das persönlich und künstlerisch? Und was nehmen Sie aus der Lehrtätigkeit mit?
Da ich an einem Gymnasium unterrichte, habe ich das Vergnügen, mit Kindern und jungen Erwachsenen zu arbeiten. So ist für mich die Neugier und der Experimentierdrang von Kindern höchst faszinierend und nachahmenswert. Mit den Abiturienten wird es dann auch theoretisch interessant, da vielen jungen Erwachsenen in unserem weitgehend digitalisierten Alltag oft der Zugang zu handfester Kunst fehlt, was zu sehr spannenden und hitzigen Diskussionen in den Kursen führen kann. Insgesamt bereitet es mir große Freude, den kreativen Arbeitsprozess mit jungen Menschen zu teilen, den künstlerischen Prozess weiterzugeben und den Schülern durch Projektarbeiten Freiheiten zu ermöglichen, die es im regulären Schulbetrieb nicht gibt.
Neues Seestück, 2016, 33x41cm
Die Webseite des Künstlers:www.florianwoerrle.de
Zum Profil von Florian Wörrle auf Singulart:https://www.singulart.com/de/künstler/florian-wörrle-1022