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Meisterwerke: Katalanische Landschaft (Der Jäger) von Joan Miró

Katalanische Landschaften (Der Jäger)

Katalanische Landschaft (Der Jäger), Originaltitel Paysage Catalan (Le Chasseur), ist eines der ersten Werke von Joan Miró in seinem ausgereiften, surrealistischen Stil. Es veranschaulicht seinen Einsatz von Automatismus beziehungsweise seines Unterbewusstseins, um Gemälde zu schaffen, die ein Reich zwischen Traum und Realität am Rande von Abstraktion und Figuration heraufbeschwören, um neue Möglichkeiten in der Malerei zu eröffnen. In diesem Beitrag entschlüsselt Singulart das Meisterwerk und wirft einen genaueren Blick auf Mirós surrealistischen Stil.

Wer war Joan Miró?

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Joan Miró (1893-1983) war ein spanischer surrealistischer Künstler aus Barcelona, der für seine Gemälde, Skulpturen und Keramiken berühmt ist. Er studierte zunächst Betriebswirtschaftslehre, was er allerdings nach einem Nervenzusammenbruch aufgab und sich dem Studium der Kunst widmete. Wie viele andere Künstler seiner Generation wurde sein Frühwerk stark von Van Gogh und Cézanne beeinflusst. Von der fauvistischen und kubistischen Bewegung fasziniert, zog Miró 1920 nach Paris, wo er im darauffolgenden Jahr seine erste Ausstellung hatte. 1924 schloss er sich der surrealistischen Künstlergemeinschaft an, wobei die symbolischen und poetischen Elemente, die die Bewegung definierten, bereits in seinem Werk vorhanden waren. Er begann mit dem Automatismus zu experimentieren und ließ seinem Unterbewusstsein auf der Leinwand freien Lauf. Zudem arbeitete er mit Collagen und lehnte die Grenzen der traditionellen Malerei zunehmend ab. Der Spanische Bürgerkrieg hinderte ihn daran, nach Spanien zurückzukehren, und während des Zweiten Weltkriegs ging er von Paris in die Normandie und schließlich zurück nach Spanien. Miró gilt heute als Pionier des Surrealismus, und seine fantastischen, lyrischen Gemälde gehören zu den großen Meisterwerken des 20. Jahrhunderts.

Was ist in Katalanische Landschaft (Der Jäger) zu sehen?

Katalanische Landschaft (Der Jäger) ist das erste Beispiel für Mirós ausgereiften Stil, frei von allen früheren Einflüssen des Fauvismus und Kubismus. Auf den ersten Blick scheint es sich bei dem knapp 65 x 100 cm großen Ölgemälde um ein abstraktes Werk zu handeln, doch bei näherer Betrachtung sind ein Code oder Symbole mit komplexen Interpretationsmöglichkeiten zu finden. Das Gemälde ist in zwei Teile geteilt: einen wellenförmigen, terrakottafarbenen Boden und einen gelben Himmel. Eine Reihe von geometrischen Formen und Symbolen wie Flammen, Flaggen, eine Pfeife, Vögel und ein Auge schweben auf der Leinwand, verbunden durch zarte, wandernde Linien. In der rechten unteren Ecke finden sich die Buchstaben „sard“ in Kursivschrift. Die Farben sind in einem dünnen Fresko wie ein Glanzeffekt aufgetragen, und Mirós eigenwillige Linienführung verstärkt das Surreale der Szene.

A closeup of the letters 'S-a-r-d' which appear in the bottom right corner of The Hunter.
Eine Nahaufnahme der Buchstaben ‚S-a-r-d‘, die in der rechten unteren Ecke von The Hunter erscheinen.

Interpretation von Katalanische Landschaft (Der Jäger)

Katalanische Landschaft (Der Jäger) führt viele der Symbole ein, die sich in Mirós Werk wiederholen. Mit Hilfe des Titels des Gemäldes lässt sich das erste davon in der linken oberen Ecke als Jäger identifizieren: ein Strichmännchen mit einem dreieckigen Kopf, einem Auge und Bart. Er raucht eine Pfeife und hält ein totes Kaninchen in der linken Hand beziehungsweise am Ende seines wellenförmigen Arms und ein rauchendes Gewehr in der rechten. Im obersten Teil des Gemäldes lassen sich zudem kleine Darstellungen der französischen, spanischen und katalanischen Flaggen finden. Eines der markantesten Symbole in der Komposition ist ein großer beiger Kreis, der angeblich einen Johannisbrotbaum darstellt, dessen einziges Blatt durch eine Linie mit ihm verbunden ist. Es lassen sich auch andere Symbole entschlüsseln, die auf eine ländliche Umgebung hinweisen, etwa eine Kartoffel, ein Lagerfeuer und Weinreben. Diese Symbole bilden eine Ikonographie von Mirós Leben und lassen an eine katalanische Landschaft denken, höchstwahrscheinlich an den Hof seiner Familie in Katalonien.

Detail of the character of The Hunter.
Detail der Figur von Der Jäger.

Dieser singulären Interpretation stehen jedoch die anderen Symbole in der Komposition gegenüber, die das Werk aus der autobiografischen Realität in ein lyrischeres Traumreich ziehen. Im unteren Teil der Leinwand befinden sich eine zerlegte Sardine und in der rechten unteren Ecke die ersten vier Buchstaben „sard“. Andere Symbole, die sich auf das Meeresleben beziehen, sind Möwen und Wellen, die in der linken oberen Ecke schweben. Die aus dem Meer vertriebene Sardine beruht auf der Technik „Dépaysement“ (dt. Abwechslung, Fremdheit oder Umstellung), die von den Surrealisten oft eingesetzt wird, um unerwartete Bildelemente einander gegenüberzustellen und desorientierende, traumähnliche Bilder zu schaffen. Die Sardine war ein immer wiederkehrendes Motiv in Mirós Träumen und fand durch den Einsatz von Automatismus in seinem Malprozess dann den Weg auf die Leinwand.

Waves and gulls detail from The Hunter
Wellen und Möwen Detail aus Der Jäger.

Zwischen Traum und Wirklichkeit

Mirós Wunsch, die Traditionen der Malerei und die bürgerlichen Konnotationen, die sie zu dieser Zeit hatte, in Frage zu stellen, ist ausschlaggebend, um Katalanische Landschaft (Der Jäger) und Mirós Malerei zu verstehen. Durch die surrealistische Technik des Automatismus wollte Miró Kunst ohne bewusstes Nachdenken schaffen, was zu solch fantastischen Kompositionen an der Schwelle von Abstraktion und Figuration, Traum und Realität führte wie dieses Gemälde. Als Betrachter kann man sich angesichts des Werkes leicht verloren und verunsichert fühlen – jegliche Vernunft und alle Erwartungen, mit denen man an ein Bild herantritt, müssen verworfen werden, um sich zurechtzufinden und zu verstehen, was Miró ausdrückt. Durch das Aufgreifen seiner Anhaltspunkte in Form von Symbolen können wir uns einen Weg durch dieses traumähnliche Reich bahnen – mit dem Freiraum, unsere Fantasie neben der von Miró schweifen zu lassen.

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