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So wirkt unsere Umgebung auf unser Wohlbefinden: Interview mit der „Innen-Architektin“ Timna Rosenbauer

Wohlfühlcoach

Als „Kind der Kreativität“ war Timna Rosenbauer schon immer von Farben und Formen fasziniert: Nach ihrem Studium arbeitete sie einige Zeit als Innenarchitektin, ließ sich bei einem Abstecher in die Modewelt von neuen Trends inspirieren und richtete später als Homestagerin Häuser und edle Villen zum Verkauf her. Doch trotz all der hochwertigen Designs fehlte ihr etwas: Eine Wohnraumgestaltung, die wirklich auf die inneren Bedürfnisse ihrer Kunden eingeht und den Menschen in den Vordergrund stellt. Erfahren Sie in diesem spannenden Interview, welchen Einfluss unsere Umgebung auf unser Wohlbefinden hat und wie Sie mit Kunst und der passenden Farbgestaltung eine authentische Atmosphähre erschaffen können.

Timna, wer sind Sie und was ist Ihre Vision?

Ich war schon immer ein kreativer Mensch mit einem lauten Kopf voller bunter Ideen. Deshalb habe ich nach der Schule Innenarchitektur studiert und nach vier Jahren einen Abstecher ins Modedesign und Fashionmanagement gewagt. Anschließend arbeitete ich eine zeitlang als Homestagerin und richtete Immobilien ansprechend zum Verkauf her. Das war eine unfassbar spannende Zeit, in der ich Einblick in viele Häuser und Wohnungen erhielt. Vom 1-Zimmer-Apartment bis zur edlen Residenz war alles dabei. Früher träumte ich auch von einem Leben in einer schönen Villa, doch als ich diese Immobilien selbst betrat, dachte ich mir: „Nein, das möchte ich nicht. Hier kannst du nicht krank auf der Couch liegen. Du versaust ja das ganze Konzept.“ Die Räume waren darauf ausgelegt, dass Image nach Außen getragen wird. Ich hatte den Eindruck, dort nicht ich selbst sein zu können.

„Jetzt möchte ich meinen Kunden dabei helfen, einen Wohlfühlort zu gestalten, der es ihnen ermöglicht, wieder in ihre innere Kraft zu kommen.“

Das Homestaging hat sehr viel Spaß gemacht. Wir haben das Potenzial der Häuser erkannt und alles super schön gestaltet. Dennoch hat mir immer etwas gefehlt. Ich hatte das Gefühl, man erzeugt ein künstliches Image nach Außen. Das hat mir irgendwann einfach nicht mehr gereicht. Ich nahm eine Auszeit, in der ich mit meinem Mann unser Haus sanierte. Danach hatte ich die Idee, mich als „Innen-Architektin“ selbstständig zu machen und nicht nur im Außen, sondern auch im Innen zu arbeiten. Ich wollte viel tiefer gehen und auch die Wohnraumpsychologie in meine Arbeit miteinbeziehen. Jetzt möchte ich meinen Kunden dabei helfen, einen Wohlfühlort zu gestalten, der es ihnen ermöglicht, wieder in ihre innere Kraft zu kommen. Ich möchte den Menschen kennenlernen, mit ihm seine Lebenssituation gemeinsam anschauen und ihn auch emotional unterstützen.

Wodurch wird ein Raum zu einem Zuhause, aus dem wir Kraft schöpfen können?

Ein Ort wird dann zu unserem Zuhause, wenn wir ihn in Besitz nehmen und ihm eine persönliche Bedeutung geben. Es ist auch wichtig, dass wir ihn mit positiven Erinnerungen verknüpfen. Denn dann haben wir die Möglichkeit, dass wir uns eine emotionale Basis bauen und einen Ankerpunkt erschaffen. Einen Ort, an den wir zurückkehren können, um uns sicher und geborgen zu fühlen. Das brauchen wir, um in unserer Kraft zu sein. Vor allem wenn wir gestresst oder ausgelaugt sind, benötigen wir einen hohen Grad Privatheit. Das ist im Moment besonders wichtig, da Privatheit in unserer heutigen Zeit auch ein bisschen verloren geht. Der Rückzugsort, den wir uns erschaffen, hilft uns dabei, emotional zu entspannen und für eine gesunde Abgrenzung von Reizen und Einflüssen von Außen zu sorgen. Das ist auch die Basis, damit wir uns zu Hause fühlen können.

Welchen Einfluss hat unsere Umgebung auf unser Wohlbefinden?

Unser Wohlbefinden wird sehr stark von unserer Umgebung beeinflusst, weil wir die Umwelt mit allen Sinnen wahrnehmen. So kann für uns ein Raum auch zum Stressfaktor werden, wenn wir zu vielen Reizen ausgesetzt sind oder auch zu wenigen. Wenn wir einen toten, weißen Raum betreten, dann fühlen wir uns nicht wohl. Aber wir fühlen uns auch total unwohl, wenn wir in einem vollgestopften Raum leben, in dem wir das Gefühl bekommen zu ersticken. Ebenfalls spielt das Licht für uns eine große Rolle. Wenn wir von warmen Licht umgeben sind, fördert das unsere soziale Interaktion, weil wir Lust haben, uns auszutauschen. Kaltes Licht hingegen wirkt verstärkt auf Konflikte. Man kann sehr viel Atmosphäre erschaffen, indem man das Licht richtig anpasst. Ebenfalls ist es möglich, durch Naturmaterialien wie Pflanzen und Holz das Wohlbefinden postiv zu beeinflussen. Zudem hat Natur die Wirkung, unsere Empathiefähigkeit zu steigern und unser Nervensystem extrem zu beruhigen.

Inwiefern ist unser Zuhause der Spiegel unserer Persönlichkeit?

Unser Zuhause sagt extrem viel über uns persönlich aus. Wenn du in das Zuhause eines Menschen kommst, kannst du relativ schnell feststellen, ob der Mensch ausgeglichen ist, ob er mit sich im Reinen ist, ob er sich gerade mag und mit seinem Leben zufrieden ist. Das trifft zu, wenn man eine gewisse Ordnung sieht, die ein harmonisches Bild zeigt. Wenn du in eine Wohnung kommst, die extrem voll gestellt ist, gibt es meistens auch emotionalen Ballast in der Seele des Menschen aufzuräumen.

„Wir tragen ganz viel nach außen. Aufräumen, Ordnung und Struktur können auch als Zeichen für die seelische Gesundheit gesehen werden.“

Schauen wir uns beispielsweise einen Eingangsbereich an. Dieser steht für die Beziehung zu anderen Menschen. Wenn er hell und großzügig gestaltet ist, kann man sagen, dass der Mensch gerne Menschen empfängt, sich austauscht und mit Menschen in Kontakt ist. Wenn jedoch alles dunkel und vollgestellt ist, kommt der Bewohner vermutlich nicht gerne nach Hause und hat womöglich mit inneren Blockaden zu kämpfen. Wir tragen ganz viel nach außen. Aufräumen, Ordnung und Struktur können auch als Zeichen für die seelische Gesundheit gesehen werden. Wenn alles vollsteht, hat der Mensch häufig auch Probleme, Entscheidungen zu treffen. Extremer Perfektionismus deutet hingegen daraufhin, dass ein gewisser Zwang dahinter steht. Es gibt keine freie Wahl mehr. Wenn man zu sehr nach außen trägt, alles unter Kontrolle zu haben, das perfekte Leben führt, kann man auch wieder erkennen, dass seelisch etwas nicht stimmt. Es überlagert nur Probleme oder Ängste, wie z. B. dass man nicht gut genug ist oder andere Schwäche sehen könnten. Sobald etwas in Extreme abrutscht und man sich nicht mehr authentisch nach außen geben kann, ist meist etwas im Seelenleben „ver-rückt“.

Wenn Sie ein neues Raumkonzept gestalten, wie gehen Sie dabei vor?

Als erstes analysiere ich die Stressfaktoren des Kunden, schaue mir die Reize an, um eine Harmonie herzustellen. Ich beziehe dabei alle Sinne mit ein, um eine Wahrnehmungsqualität zu erschaffen. Dann gibt es für mich noch den sechsten Sinn, die Körperwahrnehmung bzw. das Bauchgefühl. Ich schaue mir die Persönlichkeit meiner Kunden an und erfrage die Bedürfnisse in der derzeitigen Situation. Werte spielen ebenfalls eine ganz wichtige Rolle. Denn wenn wir wieder in Einklang mit unseren Werten sind, fällt es uns wieder leichter, Entscheidungen zu treffen. Wir wissen wieder, was uns wichtig ist. Als siebter Sinn gibt es noch die Atmosphäre, die Stimmung bzw. die Raumästhetik. Sie weckt unsere positiven Emotionen. Ästhetik ist etwas, das häufig unterschätzt wird. Dabei ist sie ganz tief im Menschen verankert. Als wir noch in der Natur lebten, nahmen wir viele harmonische und symmetrische Formen wahr. Diese von der Natur vorgegebene Grundästhetik erklärt auch unsere Vorliebe für Wiederholungen und Symmetrie. Wenn Kunden zu mir kommen, führe ich zunächst ein tiefgreifendes Gespräch, um die aktuelle Situation zu verstehen und Bedürfnisse wahrzunehmen.

Wie kann man einen emotionalen Anker erschaffen?

Eine sehr junge Kundin ist für ihren ersten Job in eine neue Stadt gezogen und hat sich verloren und entwurzelt gefühlt. Gemeinsam haben wir aus ihrer Wohnung einen Wohlfühlort erschaffen, aus dem sie emotional wieder Kraft tanken kann. Denn wir schaffen erst einmal Veränderungen im Außen, was unseren Glauben an unsere Selbstwirksamkeit wieder weckt: „Ich kann meinen Raum selbst gestalten.“ Gemeinsam haben wir herausgefunden, welcher Raum sich für sie am besten anfühlt, welche Aktivitäten sie früher gerne unternahm und welche Elemente sie fröhlich stimmten. Wichtig ist, dass man Gegenstände, die man im Raum nutzt auch emotional verknüpft. Erst dadurch kann Sicherheit und Geborgenheit entstehen. Wichtig ist ebenfalls, dass Wünsche berücksichtigt werden, wie zum Beispiel der Wunsch nach Liebe und harmonischer Verbundenheit. Dann kann man auch wieder ins Innere gehen und dort etwas verändern. Menschen glauben immer, die Dinge bleiben gleich, dabei kann man seinen Wohnraum je nach Erleben und neuen Bedürfnissen immer weiter gestalten.

Welchen Zusammenhang gibt es zwischen der Farbwahl und der Stimmung eines Raumes? Wie wirken verschiedene Farben auf uns?

Farben aktivieren in uns bestimmte Gefühle und Emotionen. Ich habe zum Beispiel einen sehr lauten Kopf, der ständig und immer neue Ideen produziert. Das habe ich schon als Kind festgestellt. Damals hatte ich meine Wände noch blau tapeziert. Als Jugendliche wollte ich dann kraftvolle Farbtöne wie Rot und Orange. Nach der Renovierung habe ich jedoch gemerkt, dass ich im blauen Zimmer besser lernen konnte. Das waren die ersten Empfindungen, die ich mit den Farben hatte. Es ist psychologisch auch belegt, dass Blau uns innere Stärke gibt und für tiefe Entspannung sorgt. Orange regt unsere Kreativität an und lässt uns etwas Phantasievolles erschaffen. Rot steht für kraftvolles Leben und Energie. Grün ist eine Naturfarbe und erzeugt Ruhe, Harmonie und Verbundenheit. Gelb kann dabei helfen, selbstbestimmt zu handeln, das Selbstbewusstsein zu steigern und analytische Potenziale zu aktivieren. Violett gibt uns ganz viel Inspiration.

Wie kann Kunst die Atmosphäre eines Raumes verändern?

Kunst hat die Fähigkeit, Räume zu verwandeln und Neues zu schaffen. Natürlich muss der Raum Kunst auch Raum geben. Denn Kunst benötigt Raum, um zu wirken. Kunst kann auch je nach Prägungen in der Kindheit ganz unterschiedliche Emotionen und Bedeutungen in uns hervorrufen. Auch kann Kunst Räume und natürlich uns selbst stark inspirieren. Sie erinnert uns oft an einen Wunsch, ein Bedürfnis oder an ein Gefühl und bringt uns zum Nachdenken. Wir sehen ein Kunstwerk und es hat eine bestimmte Wirkung auf uns. Es gibt harmonische Kunstwerke, aber auch spannungsvolle Kunstwerke. Natürlich muss man auch immer schauen, welche Farbe das Kunstwerk mitbringt. Da hat Kunst wirklich einen sehr starken Einfluss.

Welchen Tipp haben Sie für Menschen, die gezielt nach einem passenden Bild für die eigenen vier Wände suchen?

Zunächst ist es wichtig zu klären, welche Wirkung ich mit einem Kunstwerk erzielen möchte. Soll es sich harmonisch in meinen Raum einfügen oder soll es Spannung aufbauen und herausstechen? Möchte ich, dass das Werk mir etwas erzählt oder soll es meinen Besuchern etwas über mich verraten, z. B. wer ich bin oder wer ich gerne wäre. Es kommt auch immer ganz auf den Raum an. Suche ich etwas für mein Wohnzimmer, ist etwas Harmonisches gut. Wenn ich ein Kunstwerk für meinen Eingangsbereich suche, sollte ich mich für ein Werk mit freundlicher, großzügiger Wirkung entscheiden. Es heißt meine Besucher willkommen und gibt ihnen einen ersten Eindruck von mir. Soll das Kunstwerk hingegen nur für mich allein sein und mich daran erinnern, warum ich morgens aufstehe, dann ist das Schlafzimmer der passende Ort.

Das ist eine sehr gefühlvolle und persönliche Herangehensweise. Ich habe beispielsweise eine ganz weiche, aber auch eine kraftvolle Seite – einen introverierten und einen extrovertierten Anteil. Ich würde Kunst auch immer so auswählen, dass ich das Werk einerseits schön finde und andererseits auch eine gewisse Spannung beim Betrachten empfinde. Es ist auch interessant zu sehen, wie sich unser Empfinden von Kunst verändert, wenn sich unsere Stimmung verändert. Solche Selbstexperimente sind richtig spannend. Eine Einzigartigkeit von Kunst, die sich auch erst mit dem Betrachter ausbildet.

Hat Ihnen das Interview neue Inspiration gegeben, Ihr Zuhause zu gestalten? Entdecken Sie Werke, die sich harmonisch in Ihr Raumkonzept einfügen:

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