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Exklusives Interview mit Kuratorin Shonagh Marshall

Diese Woche hatten wir die Möglichkeit mit Shonagh Marshall zu sprechen – einer in New York ansässigen Kuratorin. Marshall absolvierte ihren Bachelor in Modegeschichte und -theorie am Central Saint Martins sowie ihren Masterabschluss in Modekuration am London College of Fashion.

Momentane kuratiert sie Ausstellungen im Londoner Sommerset House und startet nebenbei spannende unabhängige kuratorische Konzepte im Themenspektrum Mode und Nachhaltigkeit.

Könnten Sie uns mehr über Ihren künstlerischen Hintergrund erzählen und warum Sie sich entscheiden haben Kuratorin zu werden?

Alles begann mit meinem Studium der Modegeschichte und -theorie am Central Saint Martins. Nach einiger Zeit in der Modebranche entschied ich mich für ein berufsvorbereitendes Masterprogramm in Modekuration was meine Karriere endgültig konkretisierte. Wir schauten uns dabei hauptsächlich an wie man Mode aus- und vorstellen kann, sodass sie sowohl praktisch als auch theoretisch erfahrbar wird.

Von da an begann ich Sammlungen wie die Alexander McQueens, Christian Louboutins sowie Isabella Blows zu untersuchen. Dies führte mich zu eigenen Ausstellungsprojekten am Sommerset House was den Horizont meiner kuratorischen Praxis erweiterte.

Wie würden Sie jemandem außerhalb der Kunst- und Modewelt Ihre Arbeit beschreiben?

Meine Arbeitspraxis umfasst mehr und mehr schriftliche Projekte und Publikationen statt Ausstellungen – im Moment kann ich meinen Ideen damit am besten Ausdruck verleihen. Ich bin vor allem auf den Schnittpunkt zwischen Mode und zeitgenössischer Kultur sowie die Beziehung von Mode zu soziopolitischen wie -ökonomischen Faktoren spezialisiert. Diese Fragestellungen verorten die Bedeutung von Mode in unserer Ideologie und wie sich diese in der Gesellschaft konstituiert. Die Kleidungsstücke selbst sind nur ein Bestandteil von Mode, obwohl viele Leute oft denken, das sei alles – es ist viel mehr als das!

Wie würden Sie Ihre kuratorische Praxis beschreiben?

Sobald etwas neues in der Gesellschaft aufkommt, erzeugt es eine Reaktion, die heutzutage vor allem, in den (sozialen) Medien und der Popkultur nachvollzogen werden kann. Mein rezentestes Projekt erforscht die Beziehung der Mode entlang des Themas der Nachhaltigkeit.

Als ich in der britischen Zeitschrift The Guardian den Wechsel der Wortwahl von „Klimawandel“ zu „Klimakrise“ und somit auch die Dringlichkeit des Themas feststellte, begann ich nachzuforschen, wie man dies auch auf Mode anwenden könnte. Ich fragte nach den geschriebenen und visuellen Semantiken, die Mode einsetzt und wie man diese Vehikel nutzen könnte, um über die Klimakrise zu sprechen.

In den vergangenen drei bis vier Jahren wurde der Begriff Nachhaltigkeit immer mehr zum Modebegriff. Neben Greta Thunberg war dafür unter anderem auch die Dokumentation Blue Planet II David Attenboroughs, über die Belastung der Umwelt durch Plastik, verantwortlich.

Mein Arbeitsprozess beginnt mit dem Aufspüren popkultureller Phänomene, aus denen ich dann spezifische Ideen entwickle. Bei dem oben genannten Beispiel habe ich mir ein Nachhaltigkeitskonzept vorgenommen, das drei Bereiche in den Blick nimmt: Menschen, Planet und Profit. dies wurde dann die Grundlage meines aktuellen Projektes „Denier“.

Könnten Sie uns mehr über die Beziehung erzählen, die Sie mit den für Ihre Ausstellungen ausgewählten Künstlern aufbauen? Wie gehen Sie diese Beziehungen an?

Meine Beziehung mit den Künstlern zieht sich meist von Projekt zu Projekt. Für meine Ausstellung English as a Second Language („Englisch als zweite Fremdsprache“) wählt ich Joyce Ng und Hanna Moon aus, beide kamen jeweils von Hong Kong und Südkorea nach England, um auch am Central Saint Martins zu studieren. Ich lernte beide Künstler über das Ausstellungs-, Buch- und Filmprojekt Posturing kennen, das ich bereits nach meinem Abschluss in 2017 und 2018 kuratiert hatte.

Joyce Ng Ausstellungsansicht, (2019)

Für English as a Second Language betrachtete ich vor allem die Ideen hinter der Globalisierung, Identitätspolitik und welchen Einfluss deren wachsende Bedeutung auf eine multikulturelle Gesellschaft hat. Zu diesem Zeitpunkt zwang uns der Brexit Grenzen neu zu denken. Die beiden jungen asiatischen Künstler wurden daher mit Kommissionsarbeiten beauftragt, in denen sie ihre Erfahrungen und die Sicht auf den Brexit in Kunst umsetzen sollten.

Hanna Moon Ausstellungsansicht, (2019)

Welche Künstler, Schriftsteller, Akademiker, Kuratoren und anderen Denker haben Ihre kuratorische Praxis beeinflusst?

Ich bin eifrige Leserin verschiedene Magazine. Ich schätze den New Yorker sowie die New York Times sehr. Generell alles von Romanen über eskapistischen Fernsehserien hin zu Vorlesungsreihen und Büchern – alles was meine Gedanken anregt. Mein Medienkonsum ist sehr eklektisch!

Wie beeinflussen aktuelle Geschehnisse Ihre Arbeit? Ist kuratorische Arbeit im Museum was sie einmal war?

Glücklicherweise habe ich direkt vor und für die Zeit der Pandemie keine Ausstellungsprojekte geplant. Daher war es kein allzu großer Einschnitt für meine Arbeit, ich konzentrierte mich vor allem auf das Schreiben. Eigentlich wollte ich ein Buch über das Thema Umwelt veröffentlichen, durch verschiedene Umstände der Pandemie entschied ich mich jedoch schlussendlich dazu, es selbst im Rahmen eines Newsletters zu veröffentlichen.

Trotz der widrigen Umstände empfand ich diese Zeit als institutionell befreiend. Ich konnte über mein kuratorischen Bestrebungen außerhalb des traditionellen Rahmens nachdenken und mir Fragen stellen, wie welche Orte sich für welche Projekte am besten eignen und wie man am besten eine konstruktive Diskussion einleitet. Die Kommunikation kuratorischer Ideen im Onlinebereich mit und durch digitale Medien war ein weiter Fokus.

Schlussendlich wird nichts die physische und objektzentrierte Arbeit von Museen ersetzen können, dennoch können bestimmte Aspekte eines Projektes durch verschiedene Medien sicherlich besser erkundet werden.

Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?

Momentan möchte ich mich bis Sommer auf mein Projekt Denier konzentrieren. Danach werde ich wieder Ausschau nach aktuellen Themen halten, die man in Verbindung mit Recherche in ein spezifisches Projekt verwandeln könnte. Meine schriftstellerischen Projekte möchte ich weiterhin vorantreiben.

Haben Sie eine Lieblingskollektion oder -kunstwerk auf Singulart gefunden?

Ich denke die Aktmalereien sind ziemlich interessant. Vor allem, weil die Sektion im Englischen „Nude“ heißt! Vor allem in der heutigen Zeit ist es besonders interessant über solche Labels und deren Bedeutung sowie sozialem Implikationen nachzudenken.

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