Auf den ersten Blick scheint es wenig zu geben, das die zeitgenössische britische Künstlerin Tracey Emin mit dem in Norwegen geborenen Künstler Edvard Munch verbindet. Munchs bekanntestes Werk Der Schrei, das vor circa einem Jahrhundert entstand, scheint in keiner Beziehung zu Emins provokativen konzeptuellen Arbeiten wie My Bed, Everyone I Have Ever Slept With oder ihren Neongasschildern zu stehen. Und doch ist derzeit in der Königlichen Akademie der Künste (18. Mai – 1. August 2021) in London die neueste Ausstellung von Emin zu sehen: Tracey Emin/Edvard Munch – The Loneliness of the Soul, eine Sammlung von 25 Werken von Emin, die neben 18 Aquarellen von Munch hängen, die von der Künstlerin selbst ausgewählt wurden.
Eine Einführung zu den Künstlern
Was ihre Kunstwerke in Stil oder Form vielleicht nicht gemeinsam haben, wird in dieser Ausstellung durch ihre gemeinsamen Emotionen wettgemacht. Sowohl Munch als auch Emin scheuen sich nicht, ihre schmerzlichsten Erfahrungen in ihrer Kunst zu verarbeiten und offenzulegen.
Seine Mutter starb an Tuberkulose, als er noch ein Kleinkind war, und seine Schwester starb an der gleichen Krankheit, als er noch ein Jugendlicher war. Außerdem wurde er durch das neurotische und psychologisch schädliche Verhalten seines Vaters schwer gezeichnet. Emins eigenes Leben ist ebenfalls von tragischen Ereignissen geprägt, deren Dokumentation in ihrer Kunst sie seit ihrem Abschluss an der Königlichen Akademie der Künste im Jahr 1989 ins Rampenlicht der Öffentlichkeit gerückt hat.
Im Inneren der Königlichen Akademie der Künste
Es ist daher nicht verwunderlich, dass beide Künstler die Kunst nutzen, um die Extreme des menschlichen Gefühlsvermögens auszudrücken.
In Die Einsamkeit der Seele stehen Munchs melancholische Aktporträts der gequälten weiblichen Gestalt von Emin gegenüber. In Emins Werk verwandelt sich die Einsamkeit in eine Qual, die die der Seele übersteigt. Sie wohnt in den gekrümmten Rücken, den blutigen Gesichtern und den verrenkten Gliedern von Emins gekreuzigtem Körper und wird auf schmerzhafte Weise sichtbar gemacht. Die weibliche Form, die in Munchs Studien so schüchtern positioniert und in sich geschlossen ist, wird hier aufgespalten. Emin seziert sich selbst, um die Grenzen ihrer eigenen Verzweiflung zu erfahren.
Obwohl sich Emins Figuren sowohl körperlich als auch emotional völlig entblößen, sind ihre rohen Leinwände von einer spürbaren Abwesenheit geprägt. Unter den Titeln Because You Left, This Is Life Without You und You Made Me Feel Like This stellen Emins Gemälde eine nebulöse und unsichtbare Präsenz in den Mittelpunkt der Ausstellung. Und doch, so wie Munchs Schrei im Betrachter nachhallt, und zwar umso mehr, als er stumm ist, begleitet uns diese stimm- und gesichtslose Präsenz von Raum zu Raum, während wir Zeugen der Folgen eines unbekannten katastrophalen Ereignisses werden.
Der Einfluss von Munch und Emin
Dieser Wunsch, Emotionen durch die Kunst zu teilen, ist der Grund dafür, dass Munch zum Vorreiter des Expressionismus wurde. Es ist eine Vision, die viele unserer Künstler bei SINGULART teilen. Der Einfluss von Munch wie auch von Emin ist in vielen ihrer Gemälde und Skulpturen erkennbar.
Dagmur Unds Munch fängt Munchs spontanen Malstil und seine Farbpalette ein, während Nicolae Prisacs Der Schrei und der rauchende Mann 12 Munchs Bandbreite an Emotionen und sein Interesse an Psychologie erkunden.
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Auch Michelle Yu Ting Yan, Alexandre Madureira und Badri Valian fangen die verschiedenen Stimmungen von Emin ein. In ihren jeweiligen Werken sind Emins kühne Kommentare zur Weiblichkeit, ihr Zynismus und ihre Direktheit zu erkennen.
