Alte und neue Meister  •  Kunstgeschichte

Christian Boltanski

10 wissenswerte Dinge über Christian Boltanski

Christian Boltanski ist einer der wichtigsten Künstler der französischen zeitgenössischen Kunstszene. In seinen Werken beschäftigt er sich mit Konzepten zu Erinnerungen und zur jüdischen Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg. Sein Interesse an Zeit, TGeschichteod und Erinnerung prägt seine großen Installationen, wie sie etwa 2010 bei der Monumenta im Grand Palais in Paris zu sehen waren. Nun also 10 wissenswerte Dinge rund um den Künstler hinter diesen bewegenden und nachdenklichen Werken.

1. Eine vom Holocaust geprägte Kindheit

Christian Boltanski wurde am 6. September 1944 als Sohn eines jüdischen Arztes in Paris geboren, kurz nach dem Ende der deutschen Besatzung. Seine Kindheit war von Angst und den traumatischen Erlebnissen seiner Familie geprägt. Seine Mutter, selbst ursprünglich aus Korsika und Katholikin, erzählte ihm oft, wie sein Vater den Krieg überlebte, indem sie den Behörden zwei Jahre lang weismachte, sie habe sich von ihm getrennt, während sein Vater sich im Bodenunterbau der Wohnung versteckt hielt. Christian und seine beiden Brüder schliefen ihre gesamte Kindheit im Schlafzimmer der Eltern und gingen erst im Alter von 18 Jahren allein auf die Straße.

2. Narrative Art

Christian Boltanski ist Mitglied der Künstlerbewegung „Narrative Art“, die sich auf den systematischen Einsatz von Fotografie stützt. Für die jeweiligen Kunstwerke werden Fotos mit Text verbunden, der zwar räumlich davon getrennt, aber inhaltlich mit den Sujets verbunden ist. Zu dieser Bewegung zählen etwa auch Konzeptkünstler wie John Baldessari, Jean Le Gac, Peter Hutchinson und William Wegman.

3. Das Spirituelle in der Kunst

Für Boltanski ist die Malerei mit Religion und einer spirituellen Kraft verbunden. In seinen Werken finden sich wiederkehrende Themen von Abwesenheit und Präsenz, was als ein Hinterfragen des spirituellen Charakters von Kunst und des religiösen Aspekts der Tradition der Malerei interpretiert werden kann.

4. Ein (fast) autobiographisches Werk

Die Werke von Boltanski scheinen oft autobiografisch zu sein, aber die Geschichten, die sie erzählen, sind ebenso real wie imaginär: Er zeigt „persönliche“ Gegenstände oder Erinnerungsstücke, die nicht ihm gehören, oder setzt bearbeitete Fotografien ein, um eine „persönliche Mythologie“ zu schaffen, wodurch er die Fragilität von Lebensentwürfen und die Verfälschung von Erinnerungen hinterfragt.

5. Ein autodidaktischer Künstler

Christian Boltanski ist ein autodidaktischer Künstler: Er malt seit seiner Jugend, hat aber seit seinem Schulabschluss im Alter von 14 Jahren keinen weiteren Unterricht erhalten.

6. Eine illustre Familie

Die Familie Boltanski ist alles andere als langweilig. Da ist zum einen Christian, der Künstler, dann sein Bruder Luc, renommierter Soziologe und Begründer der „pragmatischen Strömung“ in der französischen Soziologie, dessen Sohn Christophe Boltanski, Autor und Journalist, und der dritte Bruder Jean-Elie, Professor der Linguistik. Verheiratet ist Christian Boltanski mit Annette Messager, selbst französische Künstlerin.

7. Les archives du coeur – Archiv des Herzens

2005 hat Christian Boltanski mit einem besonderen Projekt rund um seine Installationsausstellung begonnen: dem Archivieren von Herzschlägen. Boltanski dazu in einem Interview: „Das Herz ist jemand. Hier geht es um etwas, was mich seit Jahren beschäftigt: die Einmaligkeit jedes Wesens. Jedes Wesen ist einmalig und also extrem wichtig, gleichzeitig aber auch extrem verletzbar und zerbrechlich. Es geht um den Widerspruch zwischen Bedeutung und Zerbrechlichkeit. Ich denke, es ist sehr wichtig zu wissen, wer man ist, und sein Herz zu hören ist eine Art zu wissen, wer man ist. Das Herz ist mein Selbstporträt – mein letztes Selbstporträt.“

Für das „Archiv des Herzens“ hat Boltanski seine Installationsausstellung beträchtlich erweitert. Von den Besuchern seiner Ausstellungen wurden die Herzschläge aufgenommen und mit Namen dazu registriert. Seit 2010 sind die gesammelten Herzschläge auf der japanischen Insel Teshima in einem von einem Mäzen zur Verfügung gestellten Ausstellungsraum zu finden.

8. Ein Pakt mit dem Teufel

Während einer seiner Reisen traf Christian Boltanski einen Mann, der in Tasmanien im Süden Australiens lebt. Dieser Fremde hatte sich ein Vermögen durch das Spielen angehäuft, und er hatte eine Vorliebe für bizarre Sammlungen – unter anderem besaß er acht ägyptische Mumien. Während dieser Sammler eines seiner Stücke kaufen wollte, bot Boltanski ihm an, ihm sein Leben zu vermieten.

Seit Januar 2010 sind daraufhin vier Kameras in seinem Atelier installiert, die sein Leben rund um die Uhr in Echtzeit übertragen und das bis zu seinem Tod tun werden. DVDs mit den Aufzeichnungen werden in einer Höhle in Tasmanien gelagert, die dem Sammler gehört. Sie dürfen nirgendswo anders gezeigt werden, aber wer den Weg dorthin findet, dem steht es offen, die Höhle zu besuchen. Anstatt also Boltanskis Werke zu kaufen, bezahlt dieser Sammler jährlich für die Dokumentation deren Entstehung, und das mit Exklusivrechten. Als passionierter Glücksspieler hat der Sammler sich ausgerechnet, dass er dabei gut abschneidet, wenn Christian Boltanski 2018 stirbt. Sollte er das später tun, wäre es ein finanzieller Verlust.

9. Institutionelle Anerkennung

Bereits 1984 war im Musée d’art moderne in Paris eine Retrospektive seines Werkes zu sehen, in den Jahren darauf gab es mehrere Retrospektiven in Museen in den USA. 2011 vertrat Boltanski Frankreich auf der 54. Kunstbiennale in Venedig.

10. Ausstellungen der etwas anderen Art

„Take me (I’m yours)“ ist eine von Christan Boltanski und Hans Ulrich Obrist gemeinsam konzipierte Ausstellung, die ursprünglich 1995 in den Serpentine Galleries in London lief. 2015 wurde sie im Monnaie de Paris wiederaufgenommen und war zuletzt im Winter 2017/2018 in Mailand zu sehen. An der Gemeinschaftsausstellung nahmen über dreißig Künstler teil, die ihre Installationen den Besuchern mehr als nur zugänglich machten: Sie konnten sie angreifen, neu arrangieren, benutzen, anziehen, zu Teilen kaufen, gratis mitnehmen oder gegen einen persönlichen Gegenstand eintauschen. Zur Wahl stand etwa ein „Glücksknochen“, der von einem 3D-Drucker unter der Leitung von Angelika Markul angefertigt wurde, oder auch kleine Skulpturen des Eiffelturms von Hans-Peter Feldmann oder Fotografien von Wolfgang Tillmans. Es konnte auch an Werken wie Yoko Onos Wunschbaum teilgenommen werden.

Das ist ein völlig anderer Ansatz, wie Kunst erlebt werden kann, was einmal mehr deutlich macht, warum Christian Boltanski zu den wichtigsten Künstlern der Gegenwart zählt.

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