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Die Sternennacht von Vincent Van Gogh

Vincent van Gogh wurde am 30. März 1853 in den Niederlanden geboren. Mehr als anderthalb Jahrhunderte später gilt der niederländische Maler als einer der Begründer der modernen Malerei, und die Sternennacht ist eines seiner berühmtesten Gemälde.

„Oft scheint es mir, die Nacht sei noch prächtiger gefärbt als der Tag.“
Van Gogh, Brief an seine Schwester im September 1888

Himmlische Tiefen

Van Gogh schuf die Sternennacht im Juni 1889, während einer der schwierigsten Zeiten seines Lebens. Zwar ist dieses Landschaftsgemälde voller Sterne, mit weichen Linien, die eine ruhige Atmosphäre ausstrahlen, und doch ist der Himmel in Aufruhr, als würde er eine tieferliegende Unordnung wiederspiegeln. Ein paar Monate zuvor hatten sich Van Goghs Suizidgedanken und Halluzinationen radikal verstärkt, woraufhin er sich dazu entschloss, sich in eine psychiatrische Klinik in der Nähe von Saint-Rémy-de-Provence aufnehmen zu lassen, die er erst ein Jahr später verließ.

Vincent Van Gogh

Seine Krankheit beeinflusste auch seine Arbeit. Die Sternennacht ist Zeugnis seiner inneren Turbulenzen und der aufgewühlten Nächte während seines Klinikaufenthalts. Van Gogh war fasziniert vom nächtlichen Himmel und beobachtete nicht zum ersten Mal die Sterne. Im Herbst 1888 hatte er die Sternennacht über der Rhone gemalt – mit all ihrer sanften Schönheit, die zum Träumen anregt.

4 Details des Gemäldes

1. Der Sternenhimmel

Der Mond ist blendend hell wie die Sonne. Doch dieses Licht ist auf einen eher kleinen Raum beschränkt. Es gibt keine Projektion des nächtlichen Mondlichts, der Gemäldehimmel scheint es stattdessen anzusaugen. Der Himmel erwacht in Blautönen zum Leben, gleichermaßen beeindruckend und erschreckend. Dies bildet einen starken Kontrast zu den goldenen Gelbtönen der Sterne und des Mondes. Insgesamt sind es elf Sterne, die diesen nächtlichen Himmel über Saint-Rémy-de-Provence bilden. So schrieb Van Gogh im Herbst 1888 in einem Brief an seine Schwester, „dass gewisse Sterne zitronengelb sind, andere leuchten rosa, grün, blau, vergissmeinnichtfarben. Ich will nicht näher darauf eingehen, aber es liegt auf der Hand, dass es durchaus nicht genügt, weiße Punkte auf ein blaues Schwarz zu setzen, wenn man einen gestirnten Himmel malen will.“

2. Die höllische Spirale

Inmitten all der Arabesken, die seinen Nachthimmel bilden, konzentrierte Van Gogh alle Zirkularität auf die Mitte der Leinwand. Die wichtigste der Spiralen kann als Zuspitzung seiner Erkrankung interpretiert werden. Doch was war Krankheit und was beispielloser Zugang zu Kreativität? Van Gogh war von der japanischen Kunst inspiriert, besonders von Drucken, in denen nicht nur flache Bereiche von Farbe zu finden sind, sondern auch regelmäßig Spiralen auftauchen, die in sich selbst geschlossen sind.

3. Die entfesselte Zypresse

Benommenheit hat diesen für Südfrankreich typischen Baum gepackt. Seine Zweige bewegen sich wie Wellen, außerhalb der Ruhe des nächtlichen Ortes scheinen sie als Echo der gepeinigten, gewundenen Umgebung zu fungieren. Diese Zypressen, die wie Flammen zum Himmel steigen, sind eine persönliche Ergänzung von Van Gogh.

4. Das kleine Dorf

Trotz der vermeintlich späten Stunde sind Lichtquellen aus den Häusern zu sehen. Hinter den Häusern befindet sich eine Kirche, deren Glockenturm dieselben Kämpfe durchstehen muss wie andere Elemente der Leinwand. Die Turmspitze scheint von den himmlischen Spiralen angesaugt zu werden. Jenseits des von Van Gogh gemalten Ortes Saint-Rémy-de-Provence erheben sich die Alpilles, eine Gebirgskette, die Van Gogh vom Fenster seines Klinikzimmers aus gesehen hat.

Wahnsinn der Sternennacht?

Obwohl alle Elemente des Gemäldes nahelegen, dass deren unermüdliche Bewegung dem Leiden Van Goghs Ausdruck verleiht, könnten wir das Werk auch anders betrachten. Mit Blau als Symbol für die Kraft des Geistes und der Ruhe, Gelb als Farbe der Freude und Wärme könnte dieses Werk nicht auch charakteristisch für eine Befreiung des Malers sein? Kurz vor dem Entstehen des Gemäldes hat Van Gogh in einem Brief an den Maler Émile Bernard geschrieben: „Wann werde ich endlich diesen Sternenhimmel machen, an den ich immer denken muss?“ Jenseits des Wahnsinns ist an dem Werk die Beherrschung und Kontrolle offensichtlich, die von ihm ausgeht. Alles ist bis ins kleinste Detail berechnet.

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