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Banksy was here und keiner hat ihn erkannt

Banksys Straßenstand in Venedig. Zu sehen sind ein neunteiliges Ölgemälde, davor das Schild "Venice in Oil".

In der Eröffnungswoche der Biennale Anfang Mai war ein Straßenstand mit einem neunteiligen Ölgemälde zu sehen. Das Werk zeigt ein riesiges Kreuzfahrtschiff, das von winzigen venezianischen Gondeln umgeben ist. Seit gestern ist klar: Der angeblich unbekannte Maler war wohl kein anderer als der weltberühmte Street-Art-Künstler Banksy. Und niemand hat ihn erkannt.

Diesen Mittwoch veröffentlichte Banksy ein Video auf seinem Instagram-Account. Darin zu sehen: Ein Mann mit Mütze, Sonnenbrille und Schal, der auf dem berühmten Markusplatz eine Staffelei installiert. „Mein Stand bei der Venedig-Biennale“ heißt es dazu. „Obwohl es die größte und renommierteste Kunstveranstaltung der Welt ist, bin ich aus irgendeinem Grund nicht eingeladen worden.“

Die Venedig-Biennale zieht seit 1895 tausende Schaulustige, Künstler, Galeristen, Kuratoren, Museumsmitarbeiter und Pressevertreter in ihren Bann. Allein für die diesjährige Preview waren über 5000 Journalisten akkreditiert. Eine solche Dichte an Kunstexperten gibt es nirgends sonst.

Dass Banksy unerkannt blieb, liegt nicht zuletzt an ihm selbst. Der Graffiti-Künstler hat seine Identität nie vollständig preisgegeben. Wer sich hinter seinem Künstlernamen verbirgt, ist seit 25 Jahren wohlgehütetes Geheimnis. Klar ist nur, dass Banksy Ende der 90er Jahre nach London kam. Seither hat er sich mit gesellschaftskritischen Graffiti einen Namen gemacht, die Krieg, Gewalt, den Klimawandel oder den Umgang mit Geflüchteten kritisieren. Erst kürzlich spekulierten Medien darüber, ob ein an einer venezianischen Hauswand gefundenes Graffito, das ein Flüchtlingskind zeigt, von Banksy stammt.

Das Video, das Banksy auf seinem Instagram-Account teilte.

Unter Banksys in Venedig ausgestelltem Werk steht ein Schild, „Venedig in Öl“. Der wunderbar mehrschichtige Titel verweist unter anderem auf Venedigs Verschmutzung durch Kreuzfahrtschiffe. Allein im Jahr 2017 kamen rund 1,4 Millionen Kreuzfahrttouristen in die Stadt. Umwelt- und Kulturschützer sehen Venedigs UNESCO-Welterbe und das ökologische Gleichgewicht der Lagune in Gefahr. Die Weltstadt leidet unter ihrer Beliebtheit. Banksys Video bringt diese Situation auf den Punkt.

Seine Werke – ein Kind im Tränengasnebel von Calais, ein Mädchen, das ein Hakenkreuz übersprüht, das Flüchtlingskind mit pinkfarbener Fackel – sind unbequem und irritierend, aber auch faszinierend. Sie führen uns unsere eigene Schande vor. Thematisch würde sich sein Beitrag also auch in die Reihe politischer Kunstwerke gut einfügen, die auf der diesjährigen Biennale zu sehen sind.

Vermutlich auch ein Banksy: Das Anfang Mai in Venedig entdeckte Graffito zeigt ein Kind mit Schwimmweste und Fackel.
Vermutlich auch ein Banksy: Das Anfang Mai in Venedig entdeckte Graffito zeigt ein Kind mit Schwimmweste und Fackel.

Ein weiterer Grund, weshalb Banksy seine Identität nicht preisgibt: Er hegt eine fundamentale Aversion gegen den Kunstmarkt und seine Vermarktungsmechanismen. Seine Arbeiten, die nur in Ausnahmefällen ausgestellt werden dürfen, malt und sprayt er daher mittlerweile nicht mehr auf leicht abzunehmende Untergründe. Und er versucht, seine Graffitis nur an ohnehin schon politischen Orten aufzubringen. Ob ihm allerdings seine Kunstmarktkritik konsistent gelingt, ist spätestens seit vergangenem Herbst, als er sein Werk „Girl with Balloon“ während einer Kunstauktion schredderte und den Preis des ohnehin schon 1,2 Mio. Euro teuren Kunstwerks damit noch steigerte, fraglich geworden. Doch dazu ein andermal mehr.

Selbst wenn Banksy zur Biennale geladen würde – er müsste absagen. Eine solche systemkonforme Kunstveranstaltung widerspricht seinem Selbstverständnis. Banksy bleibt ewiger, den Kunstmarkt kritisierender Rebell. Dafür liebt ihn die Kunstwelt.

Banksys Video, das mittlerweile über zwei Millionen Mal angeklickt worden ist, endet damit, dass der Mann – Banksy selbst? – sein Kunstwerk nimmt und vor das befördert, was auf dem Gemälde zu sehen ist: ein großes Kreuzfahrtschiff, das die historischen Wasserstraßen von Venedig durch seine schiere Größe dominiert.

Ein Kreuzfahrtschiff vor Venedig. Foto: CC0 Public Domain / Pixabay.
Ein Kreuzfahrtschiff vor Venedig. Foto: CC0 Public Domain / Pixabay.

Mehr Street Art finden Sie hier und in der Banksy-Kollektion von Singulart.

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