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Neuer Banksy in Venedig?

Mutmaßliches Banksy-Werk in Venedig. Es zeigt ein Flüchtlingskind mit Rettungsweste und Seenotfackel.

Anm. d. Red.: Mittlerweile bekannte sich Banksy zu dem Graffito „Flüchtlingskind mit Fackel“. Ein Foto des Wandbilds wurde am 24. Mai auf Banksys Instagram-Account veröffentlicht.

In Venedig, wo derzeit die 58. Biennale stattfindet, wurde in der vergangenen Woche ein neues Graffito entdeckt. Es zeigt ein Kind mit Rettungsweste und leuchtender Seenotfackel. Das Werk stammt höchstwahrscheinlich vom weltberühmten Street-Art-Künstler Banksy und setzt einen starken Kontrapunkt zum ebenfalls auf der Biennale ausgestellten Flüchtlingsschiff „Barca Nostra“ des Schweizer Künstlers Christoph Büchel.

Banksys jüngstes Kunstwerk befindet sich im Studentenviertel Dorsoduro, wo es knapp über dem Kanalwasser schwebt. Es wird angenommen, dass Banksy selbst das Werk zu Beginn der prestigeträchtigen Ausstellung gemalt hat. Die Echtheitsbestätigung steht allerdings noch aus. Bisher ist das Werk weder auf Banksys Instagram-Account noch auf seiner Website aufgetaucht. Auch Pest Control, der im Auftrag des Künstlers Werke authentifiziert, hat noch nichts von sich verlauten lassen.

Das Wandgemälde könnte als Reaktion auf das umstrittene Schiffswrack entstanden sein, das am Rand eines Hafenbeckens abgestellt hat. Das tunesische Flüchtlingsboot havarierte 2015 vor Lampedusa. Mehr als 800 Migranten aus Afrika starben, eingeschlossen in einer Kabine unter Deck. Die „Barca Nostra“ sorgt auf der Biennale für Kontroversen über Freiheit und Grenzen der Kunst. Kritiker nehmen insbesondere an der mangelnden Kontextualisierung des schwimmenden Sargs – der Künstler hat darauf verzichtet, ein Schild mit Werkangaben aufzustellen – Anstoß.

Das Schiffswrack „Barca Nostra“, das der Schweizer Künstler Christoph Büchel auf der 58. Venedig-Biennale installiert hat.
Das Schiffswrack „Barca Nostra“, das der Schweizer Künstler Christoph Büchel auf der 58. Venedig-Biennale installiert hat.

Auch Banksy ist dafür bekannt, in seinen Arbeiten die Flüchtlingskrise zu thematisieren. 2015 waren in seinem Anti-Vergnügungspark „Dismaland“ überladene Miniatur-Flüchtlingsboote zu sehen. Im selben Jahr sprayte er ein Bild des verstorbenen Apple-Gründers Steve Jobs mit einem grauen Beutel über der Schulter und einem Macintosh-Computer in der Hand auf eine Wand des Flüchtlingslagers Calais. Dazu erklärte er: „Wir werden oft dazu gebracht zu glauben, Migration belaste die Ressourcen des Landes, aber Steve Jobs war der Sohn eines syrischen Migranten. Apple ist das profitabelste Unternehmen der Welt […] – und es existiert nur, weil ein junger Mann aus Homs reingelassen wurde.“ Während seines Aufenthalts in Calais malte der Graffiti-Künstler auch auf Wände des französischen Hafens, unter anderem ein Floß, auf dem ertrinkende Migranten versuchen, die Passagiere einer vorbeifahrenden Luxusyacht auf sich aufmerksam zu machen.

Die Frage, ob das neue Graffito von Venedig tatsächlich von Banksy stammt, erscheint vor diesem Hintergrund zweitrangig. Das „Flüchtlingskind mit Fackel“ führt uns einmal mehr vor Augen, was Kunst im besten Sinne sein kann: ein treffender Kommentar zum aktuellen Weltgeschehen.

Wir sollten Banksy ernst nehmen.

Banksys „Floß der Medusa“ in Calais, Frankreich.
Banksys „Floß der Medusa“ in Calais, Frankreich.

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