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„Die große Welle vor Kanagawa“ von Katsushika Hokusai

Die große Welle vor Kanagawa von Katsushika Hokusai

„Die große Welle vor Kanagawa“ von Katsushika Hokusai (1760-1849) gilt heute als eines der berühmtesten grafischen Werke der Welt und ist einer der bekanntesten japanischen Holzdrucke. Hokusai war etwa 70, als er den Farbholzschnitt als Teil der Bildreihe „36 Ansichten des Berges Fuji“ schuf. 

Katsushika Hokusai wurde 1760 in Edo, dem heutigen Tokio in Japan geboren. Nachdem er verschiedene andere Künstlernamen verwendet hatte, begann er 1797, sich Hokusai zu nennen. Westliche Drucke, die über den holländischen Handel nach Japan kamen, erweckten sein Interesse. Inspiriert von der niederländischen Kunst begann er, sich mit der linearen Perspektive auseinanderzusetzen und schuf eine japanische Variante davon. Der Einfluss der niederländischen Kunst zeigt sich auch in seiner Verwendung einer niedrigen Horizontlinie und der unverkennbaren europäischen Pigmentfarbe Preußisch Blau (auch bekannt als Berliner Blau). 

Faszination Fuji

Der Vulkan Fuji ist mit seinen 3776 Metern der höchste Berg Japans, gilt seit vielen Jahrhunderten speziell in der japanischen Religion Shinto als heilig und ist seit 2013 Teil des Weltkulturerbes. Hokusais Faszination für den Berg war die Inspiration für seine Bildreihe. Der Künstler reagierte damit jedoch auch auf einen Boom im inländischen Tourismus und dem damit steigenden Markt für Bilder des Fuji – japanische Holzschnitte wurden oft als Souvenirs gekauft. Das ursprüngliche Publikum der Drucke von Hokusai waren zum einen Stadtmenschen, die als Anhänger des Fuji-Glaubens Pilgerfahrten unternahmen, um den Berg zu besteigen, und zum anderen Touristen, die Tokio als die neue Hauptstadt besuchten. Obwohl die Hochhäuser in Tokio heute den Blick auf den Fuji verdecken, war für Hokusais Publikum der Gipfel des Berges damals in der ganzen Stadt sichtbar.

Details des Werkes

1. 36 Ansichten des Berges Fuji

„Die große Welle vor Kanagawa“ ist Teil einer Druckreihe mit dem Titel „36 Ansichten des Berges Fuji“, die Hokusai zwischen 1830 und 1833 herstellte. Dabei handelt es sich um einen Farbholzschnitt, der in Tinte und Farbe auf Papier 25 x 37 cm misst. Zunächst wurden schnell Tausende Kopien dieses Drucks hergestellt und zu einem niedrigen Preis verkauft. Alle Bilder der Reihe zeigen einen Teil des Fuji, wobei er allerdings nicht immer die Komposition dominiert. Bei „Die große Welle vor Kanagawa“ wird der Vordergrund stattdessen von einer gewaltigen, aufschäumenden Welle ausgefüllt, die im nächsten Moment auf drei Fischerboote herabzustürzen droht.

Einige Werke aus der Farbholzschnittserie „36 Ansichten des Begres Fuji“ des japanischen Malers Katsushika Hokusai. Bilder: Wikipedia.

2. Spiel mit Perspektiven

Hokusais Interesse galt schiefen Winkeln und Kontrasten, sowohl zwischen Nah- und Fernperspektiven als auch zwischen dem vom Menschen Geschaffenen und der Natur. Bei diesem Bild zeigt sich das an der Gegenüberstellung des Fuji und der großen Welle im Vordergrund, die den Berg in der Ferne noch kleiner erscheinen lässt. Hokusai setzte auch einen Kontrast zwischen Mensch und Natur, indem er die Fischerboote samt Besatzung inmitten der mächtigen Wellen platzierte. Zu diesen optischen Spielereien kommt noch die Gischt am Wellenkamm, die es so aussehen lässt, als ob frischer Schnee auf den Fuji fallen würde. Hokusai hat die Komposition so arrangiert, dass sie den Fuji umrahmt: Die Kurven der Welle und des Rumpfs des rechten Bootes reichen gerade so weit nach unten, dass die Basis des Fuji sichtbar ist. Der weiße Kamm der großen Welle bildet eine diagonale Linie, die das Auge des Betrachters direkt zum Gipfel des Vulkans führt.

Ukiyo-e – Bilder der fließenden Welt

Ukiyo-e ist eine Sammelbezeichnung für ein Genre der japanischen Malerei und Druckgrafik aus der sogenannten Edo-Zeit (1603-1868). Der Ausdruck bedeutet in etwa „Bilder der fließenden Welt“: „e“ bedeutet Bild, und „Ukiyo“ im Buddhismus ist mit dem Begriff „Vanitas“ im Christentum vergleichbar. Die frühesten Drucke wurden nur in Schwarz-Weiß hergestellt, später wurden weitere Farben hinzugefügt, wie auch bei der Bildreihe Hokusais. Dabei wurde für jede Farbe ein separater Holzblock verwendet. Hokusai wich von der Tradition der üblichen Sujets der Ukiyo-e Drucke ab, die zumeist Theaterdarsteller und Kurtisanen zeigten. Stattdessen konzentrierte sich seine Arbeit auf den Alltag von Japanern verschiedener Gesellschaftsschichten, wie etwa den Kampf der Fischer mit den Wellen. Diese Themenänderung stellte einen Durchbruch sowohl in den Ukiyo-e Drucken als auch in Hokusais Karriere dar.

Aus solchen gravierten Holzplatten entstehen Ukiyo-e. Bild: Wikicommons.

Popularität der Ukiyo-e-Drucke in Europa

Seit 1640 war Japan weitgehend von der Welt abgeschnitten und nur ein begrenzter Handel mit China und Holland erlaubt. Dies änderte sich in den 1850er Jahren – bereits nach Hokusais Tod –, als der Handel durch den amerikanischen Marineadmiral Matthew C. Perry erzwungen wurde. Von da an flutete die japanische visuelle Kultur buchstäblich in den Westen. Bei der Weltausstellung 1867 in Paris waren die Arbeiten Hokusais im japanischen Pavillon zu sehen. Dies war das erste Mal, dass japanische Werke einem Massenpublikum im Westen zugänglich waren, und es wurde mit Begeisterung damit begonnen, japanische Kunst zu sammeln. Impressionistische Künstler in Paris wie etwa Claude Monet, der gleich 250 japanische Drucke erwarb, darunter 23 von Hokusai, wurden zu großen Liebhabern japanischer Drucke.

Hokusais Werk beeinflusste zahlreiche andere Künstler im späten 19. Jahrhundert in Europa, unter anderem Maler des Jugendstils. Skizzen Hokusais, sogenannte Hokusai-Manga, waren auch eine große Quelle der Inspiration für Edgar Degas. Das Gedicht „Der Berg“ von Rainer Maria Rilke bezieht sich auf „Die große Welle vor Kanagawa“, und Claude Debussy verwendete 1905 einen Abzug davon als Titelblatt für sein Orchesterwerk „La Mer“.

Cover von Claude Debussys Orchesterwerk "La Mer".
Cover von Claude Debussys Orchesterwerk „La Mer“. bild: Wikicommons.

Eine Replik des Drucks befindet sich im Hokusai-Museum Sumida in Tokio und Abzüge davon in mehreren Museen rund um die Welt, unter anderem im Metropolitan Museum of Art in New York sowie im British Museum in London, und ein Abzug befindet sich auch im Haus von Claude Monet in Giverny in Frankreich.

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