Kunstgeschichte  •  Kunstwerke unter der Lupe

Meisterwerke: Sitzender Akt auf einem Diwan von Modigliani

Nackte Badende

Der italienische Zeichner, Maler und Bildhauer Amedeo Modigliani (1884-1920) wird gern als der „letzte Bohemien von Montmartre“ bezeichnet und ist für seinen exzessiven Lebensstil mit Alkohol- und Drogenkonsum ebenso bekannt wie für seine Kunstwerke. Während seine Arbeiten zu Lebzeiten auf Desinteresse stießen, wird er seither vor allem für seine Aktmalerei gepriesen. Charakteristisch für Modiglianis Akte und Porträts sind die langgestreckten Körper und Gesichter seiner Sujets sowie die unbefangene Darstellung weiblicher Sinnlichkeit. Singulart setzt sich in diesem Beitrag mit einem der berühmtesten Gemälde seiner Serie von Akten auseinander: Nu assis sur un divan (La Belle Romaine) – Sitzender Akt auf einem Diwan (Die schöne Römerin).

Wer war Amedeo Modigliani?

Geboren 1884 im italienischen Livorno als Sohn sephardischer Juden, betrat er die Welt schon von einigem Drama begleitet, was man bereits als frühe Andeutung seines späteren Lebensstils interpretieren könnte. Der Familienbetrieb war zum Zeitpunkt seiner Geburt bankrottgegangen, und die Pfändung des Haushalts stand bevor. Nach italienischen Gesetzen war es Gerichtsvollziehern jedoch verboten, sich dem Bett einer gebärenden Frau zu nähern. Laut Familienlegende stapelte die Familie also ihre wertvollsten Besitztümer auf das Bett, als Modigliani geboren wurde.

Amedeo Modigliani

Als er 14 Jahre alt war, erkrankte Modigliani an Typhus und schwärmte seiner Mutter im Fieberdelirium vor, dass er die Werke großer italienischer Meister im Palazzo Pitti und in den Uffizien in Florenz sehen und selbst Maler werden wolle. Sein künstlerisches Talent hatte sich schon früh gezeigt, und so bekam er nach seiner Genesung von den Eltern die Erlaubnis, die Schule abzubrechen. Er begann ein Kunststudium an der privaten Zeichen- und Malschule des Malers Guglielmo Micheli in Livorno. Mit 16 erkrankte er an Tuberkulose und unternahm zur Luftveränderung mit seiner Mutter zahlreiche Reisen durch Italien. Er studierte in Florenz Aktmalerei und lebte anschließend in Venedig, bis er 1906 nach Paris umzog.

In Paris bekam er bald den Spitznamen „Modi“, eine Abkürzung seines Namens, die auf das französische Wort „maudit“ anspielt: verflucht. Er wurde als Prototyp eines depressiven Bohemiens der Kunstszene bekannt – ein Vagabund, der unmäßig trank, Drogen nahm und den exzessiven Lebensstil in Montmartre auf die Spitze trieb. Der Kunstkritiker André Salmon schrieb über ihn: „Von dem Tag an, an dem er sich gewissen Formen der Ausschweifung hingegeben hatte, kam ein unerwartetes Licht über ihn, das seine Kunst veränderte. Von diesem Tag an wurde er zu einem der Meister der lebenden Kunst.“

Serie an Akten und Einzelausstellung in der Pariser Galerie Berthe Weill

1916 wurde Modigliani von dem befreundeten Kunsthändler Leopold Zborowski beauftragt, eine Serie an Aktbildern zu malen. Im Unterschied zu Modiglianis früheren Akten, bei denen er Freundinnen oder Liebhaberinnen darstellte, ließ Zborowski für diese Serie professionelle Models kommen, lieh Modigliani seine Wohnung und stellte die Malutensilien zur Verfügung.

Liegende Nackte (1917)

Modigliani präsentierte die Werke 1917 in einer Ausstellung in der Pariser Galerie Berthe Weill. Die Menschenmassen wurden von dem großen Aktgemälde im Schaufenster angezogen, aber die unverhohlene Erotik der Bilder erregte auch rasch die Aufmerksamkeit eines Gendarmen, der die Vernissage am Eröffnungsabend schließen ließ. Die Ausstellung konnte wiedereröffnet werden, allerdings erst, nachdem die „unanständigen“ Werke aus den Fenstern der Galerie entfernt worden waren.

Die Werke galten nicht nur wegen der erotischen Sujets als schockierend – die intimen Darstellungen ließen vermuten, dass sie nach dem Geschlechtsverkehr gemalt wurden, was jedoch nicht der Fall war –, sondern angeblich auch, weil der Beamte schockiert war, Schamhaare in Aktbildern zu sehen. Modigliani hatte die Akte ohne jegliche Scham und ohne mythologischen Zusammenhang gemalt, was zu dieser Zeit revolutionär war.

Nu assis sur un divan (La Belle Romaine)

Nu assis sur un divan (La Belle Romaine), auch bekannt unter dem abgekürzten Titel Die Schöne Römerin, hat Modigliani 1917 gemalt. Das Gemälde zeigt eine Frau, die den Betrachter sinnlich ansieht, ihr nackter Körper kaum bedeckt. Die Verwendung von kräftigen Rot- und Rosatönen verleiht dem Bild eine warme, edle Atmosphäre und lädt den Betrachter zu diesem intimen, auf Leinwand festgehaltenen Moment ein.

Nackte Badende
Amedeo Modigliani, Nu assis sur un divan (La Belle Romaine) (1917)

Modiglianis Arbeit als Bildhauer zeigt sich auch in seinen Gemälden, etwa an den kräftigen Linien und eckigen Formen seiner Sujets. Wie bei den anderen Motiven seiner Serie an Akten sind auch die Augen der hier dargestellten Frau einfarbig gemalt, wodurch sie in Gedanken versunken scheint – Gedanken, die dem Betrachter verborgen bleiben. Modigliani erklärte: „Wenn ich deine Seele kenne, werde ich deine Augen malen.“ Indem er die Augen einfarbig malte, musste Modigliani die Emotionen des Sujets durch Gesten und Körperpositionen ausdrücken.

Die dargestellten Frauen lassen mit ihren kurvenreichen Körpern an Rubensfiguren denken, doch Modiglianis Darstellungen sind kantiger und wirken mit ihren langgestreckten Gesichtern und Formen fast wie Karikaturen.

Tod und Vermächtnis

Modigliani kämpfte bereits seit seinem 16. Lebensjahr gegen Tuberkulose an. Es wurde spekuliert, dass sein starker Alkohol- und Drogenkonsum zum Teil darauf zurückzuführen war, dass er die Auswirkungen der Krankheit überdecken wollte. Er starb mit nur 35 Jahren an tuberkulöser Meningitis. Seine schwangere Verlobte, Jeanne Hébuterne, nahm sich am Tag nach Modiglianis Tod das Leben, indem sie aus einem Fenster im fünften Stock sprang.

Modiglianis Vermächtnis ist nicht nur sein beeindruckendes bildnerisches Werk, sondern auch sein unbändiger Lebensstil. Seine Eskapaden waren gleichermaßen wild wie unberechenbar: Er zog sich auf Partys oft nackt aus und beleidigte die Pariser Oberschicht. Manche Kunstkritiker argumentierten, dass die gewaltigen Mengen an Drogen und Alkohol etwas freigesetzt hatten, das sein künstlerisches Schaffen beträchtlich verbessert hätte, und dass er ein mittelmäßiger Künstler geblieben wäre, wenn er nicht diversen Lastern verfallen wäre. Modiglianis Privatleben scheint sich kaum von seinem künstlerischen Schaffen trennen zu lassen.

Während seine Kunst zu Lebzeiten nicht sehr geschätzt wurde, ist Modigliani nach seinem Tod berühmt geworden. Nu assis sur un divan (La Belle Romaine) ist 2010 für 67 Millionen US-Dollar versteigert worden; das Aktgemälde Nu couché (1917) hat 2018 bei Sotheby’s die Rekordsumme von 157,2 Millionen Dollar erzielt und ist damit das teuerste Gemälde in der Geschichte des Auktionshauses. Amedeo Modiglianis Serie an Akten gilt heute als einer der wichtigsten Meilensteine der modernen Kunst.

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