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Hieronymus Bosch, Garten der Lüste, ca. 1490-1500

The Garden of Earthly Delights by Hieronymus Bosch

Garten der Lüste ist ein Triptychon des niederländischen Malers Hieronymus Bosch in Öl auf Eichenholz, das in geöffnetem Zustand 220 x 390 cm misst. Es gelangte im 19. Jahrhundert aus der ehemaligen Sammlung von Philipp II. nach Madrid in das Museo del Prado und wurde mehrfach restauriert. Es gilt als bedeutendstes und auch komplexestes Werk Boschs und zählt in der westlichen Kunstgeschichte zu den meistinterpretierten Werken. In diesem Beitrag geht Singulart näher auf den Maler und die einzelnen Flügel des Triptychons ein. 

Wer war Hieronymus Bosch?

Portrait of Hieronymus Bosch - Anonymous (Low Countries)
Porträt von Hieronymus Bosch – Anonym

Über das Leben des Malers ist wenig bekannt. Geboren wurde er um 1450 – in der Übergangsepoche vom Mittelalter zur Renaissance – in der niederländischen Stadt Den Bosch (offiziell ‘s-Hertogenbosch genannt). Den Bosch war zur damaligen Zeit eine wohlhabende Provinzstadt und Wallfahrtsort in Brabant, nahe der heutigen holländisch-belgischen Grenze. Mit bürgerlichem Namen Jheronimus van Aken, Sohn der alteingesessenen Malerfamilie van Aken (Urgroßvater, Großvater, Vater, Onkel und Brüder waren ebenfalls Maler), übernahm er wie damals üblich den Namen seiner Geburtsstadt und wurde als Hieronymus Bosch bekannt. 1478 heiratete er die wohlhabende Patriziertochter Aleyt Goyaert van de Mervenne, wodurch er als Künstler finanziell unabhängig leben konnte und in die höheren Kreise der Stadt aufstieg.

1488 wurde er in die illustre Liebfrauen-Bruderschaft aufgenommen, zu der ein paar Dutzend der einflussreichsten Bürger der Stadt gehörten. Für die eigene Kapelle der Bruderschaft in der örtlichen St.-Johannes-Kathedrale schuf Bosch ein Altarbild und ein Kreuz. Sein Ruhm reichte bald weit über die Stadtgrenzen hinaus: Über das europaweit aus gut siebentausend Mitgliedern der Bruderschaft bestehende Netzwerk hatte Bosch Zugang zu den höchsten Gesellschaftskreisen, die viele seiner Werke in Auftrag gaben. Zu seinen Auftraggebern zählten unter anderem die Kirche, Philipp von Burgund, Margarethe von Österreich sowie König Philipp II. von Spanien. Das einzig belegte Datum ist der 9. August 1516, der Tag, an dem Hieronymus Bosch laut den Aufzeichnungen der St.-Johannes-Kathedrale begraben wurde.

Zu Boschs Lebzeiten gab es in den Niederlanden noch keine Kunstliteratur wie etwa in Italien, so dass authentische Berichte über sein Schaffen, über Art, Umfang und Rezeption seiner Werke fehlen. 24 kleinteilige und detailreiche Gemälde sowie 20 Zeichnungen sind erhalten, wobei auch diese Zahlen schwanken. Gründe dafür sind unter anderem, dass mehrere Originalwerke verschwunden sind und aufgrund der Beliebtheit der Werke bereits zu seinen Lebzeiten Kopien angefertigt wurden. Dazu kommen zahlreiche Fälschungen, so dass im Laufe der Jahrhunderte immer wieder Werke Bosch zugeschrieben wurden, was sich später mit Hilfe moderner Untersuchungsmethoden als falsch herausstellte. Unbestritten ist allerdings die Echtheit seiner beiden Hauptwerke, Der Heuwagen und Garten der Lüste.

Boschs Mischung von Religion und Satire

Bosch malte im Laufe seines Lebens mindestens sechzehn Triptychen, die religiöse Thematiken darstellen. Was Boschs Werk von dem seiner Zeitgenossen unterscheidet, ist die Interpretation dieser Szenen und seine drastische Bildsprache. Er schuf fantasievolle, grotesk-satirische Kunstwerke von unglaublicher Detailgenauigkeit, die als mahnende Erzählungen gesehen werden können, die die Folgen der Sittenlosigkeit der Menschen darstellen. Seine Vorliebe dafür, irdische Verlockungen und unheilvolle Bildnisse von surreal anmutenden Höllenwelten samt Mischwesen und Monster zu malen, brachten ihm diverse Spitznamen ein, darunter „Höllenmaler“ und „Teufelsmacher“.

Seine fantasievollen Darstellungen führten allerdings auch zu Vorwürfen der Ketzerei und als Reaktion zu Verteidigungsversuchen. Besonders am spanischen Hof unter dem katholischen König Philipp II. wurden gleich mehrere Werke von Bosch gesammelt, und dem Vorwurf der Häresie aus manchen Ecken musste so gut wie möglich begegnet werden. So schrieb 1605 José de Sigüenza, Bibliothekar, Geschichtsschreiber und Prediger am zum spanischen Königsschloss gehörenden Kloster El Escorial, die Bilder Boschs seien „Bücher von großer Weisheit und Kunst“, eine „gemalte Satire der Sünden und der Unbeständigkeit der Menschen“, „ein Spiegel, nach denen der Christ sich bilden sollte“.

Tod eines Geizhalses

Garten der Lüste

Über die Entstehung des Triptychons ist wenig bekannt, nicht einmal sein ursprünglicher Titel ist überliefert. 1898 erschien in Wien im Jahrbuch der kunstgeschichtlichen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses die erste Reproduktion vom Garten der Lüste. Herbert Dollmayr gab dem Mittelteil des Triptychons diesen Titel, der zu Zeiten Sigmund Freuds nicht publikumswirksamer hätte gewählt sein können. Er bürgerte sich als Name in den verschiedenen europäischen Sprachen ein: Garden of Earthly Delights, Jardin des Delices, Tuin der Lusten.

Trotz der dreiflügeligen Altarform war das Werk sicherlich nicht für einen Altar gedacht, was die sich ändernde Kunstauffassung der Zeit verdeutlicht: Bosch schuf das Triptychon in der Übergangszeit zwischen der kirchlich gebundenen Bilderwelt des Mittelalters und einer neuen Ära der Sammlerkunst. Auch das Entstehungsdatum des unsignierten und undatierten Werks beschäftigt Kunsttheoretiker nach wie vor; aktuell wird von 1490 bis 1500 ausgegangen. Als durchgängiges Thema wird oft der Begriff der Sünde genannt: auf dem linken Innenflügel durch die Darstellung von Adam und Eva, auf dem mittleren mit dem Irrgarten der hemmungslosen Lüste und auf dem rechten mit einer Höllenvision samt diverser Foltermethoden.

The closed triptych of The Garden of Earthly Delights by Hieronymus Bosch
Das geschlossene Triptychon des Gartens der Lüste von Hieronymus Bosch

Außenflügel

Auf den Außenseiten des Triptychons ist in zugeklapptem Zustand ein Bild der Erdscheibe in einer durchsichtigen Kugel zu sehen. Bosch hat hier in Grisaille den dritten Tag der Schöpfungsgeschichte dargestellt, an dem Gott das Wasser von der Erde trennte und mit den ersten Pflanzen den Garten Eden schuf. Gottvater als Schöpfer ist in der linken oberen Ecke zu sehen, samt Bibel in der Hand. Auf beiden Außenflügeln ist jeweils eine lateinische Inschrift aus dem Buch der Psalmen des Alten Testaments zu lesen (Ps 33,9):

„Ipse dixit, et facta sunt. Ipse mandavit, et creata sunt.“ – Denn er sprach, und es ward; er gebot, und da war es geschaffen.

Die Außenflügel in Grisaille stehen im Kontrast zu den drei Innenflügeln in leuchtenden Farbtönen.

Linker Innenflügel

Left Panel of The Garden of Earthly Delights by Hieronymus Bosch
Linker Außenflügel des Gartens der Lüste von Hieronymus Bosch

Auf diesem Flügel ist die Vermählung von Adam und Eva im Garten Eden dargestellt. Gott führt „das Weib dem Manne zu“ und präsentiert Adam die gerade geschaffene Eva. Den Sündenfall selbst hat Bosch hier ausgelassen – allein die Schlange, die sich in der Mitte des rechten Bildrands um eine Palme schlängelt, erinnert an die Versuchung, vom Baum der Erkenntnis zu kosten.

Der obere Teil der Tafel zeigt eine exotische Landschaft samt Tierarten, die der gebildeten Oberschicht damals aus illustrierten Reiseberichten bekannt waren. Bosch stellte Flora und Fauna dieser utopischen Welt nicht ausschließlich als friedliche Idylle dar: sowohl rechts oben als auch links unten sind Tiere bei und nach der Jagd zu sehen. Das Motto „Fressen oder gefressen werden“ zieht sich von der exotischen Paradiesvorstellung oben weiter durch die Umgebung der Vermählung von Adam und Eva in der Mitte bis zur geschaffenen Erde ganz unten.

Im Zentrum des Bildes ragen fleischfarbene Wucherungen aus einem Gewässer auf: halb Brunnen, halb Gewächs. Darin in einem Loch sitzend: die Eule, Boschs vieldeutiger Nachtvogel. Die Hasen hinter Evas Rücken werden allgemein als Zeichen der Fruchtbarkeit gesehen, während ein Drachenbaum neben Adam ein Symbol für ewiges Leben ist. Im kleinen Tümpel in der rechten unteren Ecke fällt eine Kreatur aus Boschs Fantasie besonders ins Auge: ein Schnabelwesen in Mönchskutte, ein Buch in den Armen haltend.

Die Bedeutung dieser Mischung aus Natur und Fiktion des linken Flügels erschließt sich erst durch den Mittelteil, wo von einer kleinen Gruppe von Menschen verschiedener ethnischer Herkunft mit ausgestrecktem Arm auf das erste Menschenpaar hingewiesen wird. Die Landschaft des linken Flügels zieht sich über die mittlere Tafel weiter; alle drei Flügel sind durch die kontinuierliche Horizontlinie und Abgrenzungen der Landschaft miteinander verbunden.

Mitteltafel

Mitteltafel des Gartens der Lüste von Hieronymus Bosch

Diesem imaginären Paradies des Mittelteils hat das Triptychon seinen Namen zu verdanken: ein utopischer Garten mit schier unbegrenzten Formen sündhafter Lüste. In diesem hedonistischen Paradies ist eine Unmenge an nackten Männern und Frauen zugange, vermischt mit fantastischen tierischen Kreaturen. Surrealistisch anmutende Früchte kommen ebenso nicht zu kurz: von überdimensionierten Erdbeeren über Kirschen und Trauben wird hier von allem gekostet, was dieses Paradies zu bieten hat. Frühe Beschreibungen vom Garten der Lüste sprachen von dem „Erdbeergemälde“ – Bosch malte die Frucht über hundert Mal auf dieser Mitteltafel. Bereits im 16. Jahrhundert wurde der flüchtige Genuss der Erdbeere beschrieben, von der nach dem Verzehr kaum ein Geschmack zurückbleibt. Sie mag hier den Apfel als Frucht der Versuchung ersetzen und damit auf Eva und den Sündenfall anspielen. Zudem wurde spekuliert, dass die verlockenden Erdbeeren ein Kommentar Boschs zur flüchtigen Natur des Genusses seien.

Auf der Mitteltafel ist Gott selbst nicht zu finden, ebenso sind keine älteren Menschen oder Kinder zu sehen. In dieser erotischen Szenerie, die den Betrachter zum Voyeur macht, gibt es keine Anleitung, das bunte Treiben als Sünde zu entlarven. Keine Strafe, keine Verurteilung, keine Konsequenzen. Der US-amerikanische Schriftsteller Peter S. Beagle spricht in seinem Buch über das Werk von einem „erotischen Wahnsinn“ und der „betörend verlassenen Luft einer perfekten Freiheit“, die über dem Garten liege. Dieses Paradies scheint eine Illusion zu sein, eine Utopie, die nie Wirklichkeit geworden ist. Die zügellose Freiheit erweist sich jedoch als verhängnisvoll und führt zumindest auf dem Triptychon geradewegs in eine der teuflischsten Höllen der Kunstgeschichte.

Rechter Innenflügel 

Right Panel of The Garden of Earthly Delights by Hieronymus Bosch
Rechter Innenflügel des Gartens der Lüste von Hieronymus Bosch

Im Unterschied zu den anderen beiden Teilen des Triptychons wählte Bosch dafür ein Nachtbild, und die freie Natur ist völlig ausgeblendet. Stattdessen lebt der Mensch hier in einer selbstgeschaffenen Zivilisation, in der Städte verwüstet und niedergebrannt werden und sich unterhaltsame Erfindungen wie Musikinstrumente, Spielkarten oder Würfel gegen den Menschen wenden. Folterkammern und -methoden verdeutlichen, warum Bosch nicht nur als Lustgärtner, sondern auch als Höllenforscher bezeichnet wird. Lust verwandelt sich hier in alle nur erdenklichen Qualen.

Den Herrscher dieser Welt finden wir am rechten Bildrand im unteren Drittel des Flügels. Der „Prinz der Hölle“ sitzt mit einem Kessel auf seinem Vogelkopf auf einer Mischung aus Thron und Plumpsklo, während er Menschen frisst und wieder ausscheidet. Die Nacktheit, die im Lustgarten noch durchaus vergnüglich wirkt, wird hier zur Pein. Zum einen deuten eisige Wasserflächen auf bittere Kälte hin, zum anderen versuchen einige der Nackten, aus Scham ihre Genitalien zu bedecken. Menschen sind beim Ausscheiden und Erbrechen zu sehen, wie sie von hinten abgestochen, gepfählt und enthauptet werden. Sie alle sind einem Höllenlärm als Bestrafung ausgesetzt: Harfe, Laute, Trommeln, Flöten und ein Dudelsack werden als Folterinstrumente im wahrsten Sinne des Wortes eingesetzt. In der rechten unteren Ecke ist eine Schuldverschreibung an die Kirche dargestellt: Ein Schwein mit Nonnenschleier verführt einen widerstrebenden Mann mit Küssen dazu, sein Vermächtnis der Kirche zu überlassen, während ein Assistent das Siegel für die Urkunde bereithält. Trotz diesem versuchten Kauf seines Seelenheils scheint der Sünder in Boschs Hölle gelandet zu sein.

In der Mitte des Flügels ist eine der fantasievollsten Kreationen Boschs zu sehen: der Baum-Mensch, von dem auch eine separate Zeichnung existiert. Seine Beine sind baumähnlich, im eierförmigen Torso ist eine Schenke samt Einstiegsleiter untergebracht. Auf dem Kopf trägt er eine Scheibe, auf der sich Dämonen und menschliche Opfer zum Klang eines überdimensionierten Dudelsacks bewegen, einem Symbol für sexuelle Begierde. Das detaillierte Gesicht des Baum-Menschen mag ein Selbstporträt Boschs sein, der mit leicht ironischem Gesichtsausdruck das Geschehen verfolgt.

Ein fortwährendes Rätselraten

Die bis heute ungebrochene Faszination für das Werk, kombiniert mit dem Mangel an Aufzeichnungen aus seiner Entstehungszeit, hat im Laufe der Jahrhunderte zu einer Unmenge an Interpretationsversuchen geführt. Angefangen bei Ansätzen, den Garten der Lüste rein durch die Ikonografie zu entschlüsseln, über Theorien von versteckten Symbolen eines Geheimbundes bis hin zu hitzigen Diskussionen über biblische Inhalte und Spekulationen über Boschs Motivation zu dem Werk haben Kunsttheoretiker nichts ausgelassen.

Fakt ist, dass das Triptychon ein Jahr nach Boschs Tod im Stadtpalais der Grafen von Nassau in Brüssel bezeugt ist. Regenten und Kaiser gingen hier ein und aus, Reisende besuchten das Palais als Sehenswürdigkeit. Das Museo del Prado geht nach jetzigem Stand der Forschung davon aus, dass Engelbrecht II. von Nassau der Auftraggeber des Triptychons war. Warum und wieso, ob es für eine „Kunst- und Wunderkammer“ im Palais gedacht war (in dem es auch ein Bett für 50 Personen zur Unterhaltung und/oder Ausnüchterung gab), wissen wir bis heute nicht.

Ob Bosch es als Warnung verstand oder als Satire, ob er seine Traumwelt verarbeitete oder die fantastischen Kreaturen Schritt für Schritt auf dem Reißbrett entwarf – die Meinungen gehen nach wie vor auseinander. Der niederländische Autor Cees Nooteboom schreibt in seinem Buch über Bosch von 2016, es sei im Lichte der künstlerischen Evidenz doch ganz gleich, ob bei Bosch „ein Schlüssel immer Wissen bedeutet und eine Muschelschale Untreue […] oder eine Ratte stets für Sex oder Lügen an die Adresse der Kirche steht…“ Zum fortwährenden Raten über Boschs Werk zitiert Nooteboom den Schriftsteller Harry Mulisch, dass es angesichts aller Rätsel das Beste sei, „das Rätsel zu vergrößern“.

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