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Thomas Ruff und die Kunst der Dokumentarfotografie

thomas ruff

Thomas Ruff wurde 1985 in Deutschland geboren und lebt heute in Düsseldorf. Der Künstler ist ein international geschätzter Fotograf und hat ist der Bewegung der Neuen Sachlichkeit zuzuordnen.

Ruffs Werke hängen in namhaften Museen wie dem MoMa oder Guggenheim Museum in New York, dem Muesum für Gegegenwart in Berlin und dem Art Insitute von Chicago. Dieser Artikel ist seinem Werdegang sowie seiner Inspiration gewidmet und analsyiert seine beiden Werke Zeitungsfoto 053 und Zeitungsfoto 072.

Thomas Ruff zählt zu den von der Blond Contemporary Galerie vertreten Künstlern und damit auch Teil des gemeinsam organisierten Online-Verkaufes vom 10. bis 20. Dezember.

Ein Kurzer Blick in die Geschichte

In den 1950er-Jahren wurde die Fotografie noch nicht als wirklich eigenständige Kunstbewegung anerkannt; Düsseldorf manifestierte sich nachfolgend als Zentrum für diese Bewegung. Ruff konnte sich anfänglich nicht zwischen den Berufen Astronaut und Fotograf entscheiden, doch 1977 begann er sein Studium der Fotografie an der Kunstakademie in Düsseldorf welches er 1985 abschloss. Während seiner Ausbildung besuchte er Seminare des Malers Gerhard Richter und der Fotografen Bernd und Hilla Becher. Die Fotografien von Industriebauten des Ehepaars Becher inspirierte Ruff nachhaltig.

Mit diesen Einflüssen war Ruff gerüstet für eine Karriere als großer Fotograf und begann sein Œuvre mit Fotografien von Gebäuden und Wohnungen der 1950er bis 70er Jahre. In seinem Werk vertieft er später die Fotografie als objektives und dokumentarisches Mittel. Wie Passbilder sind seine „Porträts“ als objektive, methodische und konzeptuelle Fotografie zu beschreiben. In diesem Sinne wird sein Werk im Gesamten als dokumentarische Fotografie beschrieben.

thomas ruff exhibition

Ruffs „Porträts“ von Gebäuden, Landschaften sowie Fotografien von Freunden zeigen keinerlei Emotionen und wurden zu seinem Markenzeichen. Mit seinem Verständnis der Fotografie ist er der Neuen Sachlichkeit zuzuordnen. Diese Bewegung möchte die Realität objektiv und ohne Filter darstellen. Sie kam bereits um 1918 mit Künstlern wie August Sander, Francois Barraud, Karl Blossfeldt sowie Salvador Dalí auf.

„Wenn die Dinge so sind, wie sie sind, warum sollte ich dann versuchen, sie anders aussehen zu lassen?“ – Thomas Ruff

Während seiner gesamten Laufbahn arbeitete Thomas Ruff mit fotografischen Konzeptreihen, um das Verhältnis zwischen Realität und Wahrnehmung zu untersuchen. Er hinterfragte auch die Fotografie als Medium an sich. Ruff schuf alle Arten von Bildern. Von Landschaften bis hin zu Gebäuden, von Porträts bis hin zu seinen Astronomieserien behält der Künstler den gleichen zentralen Fokus, neutrales Licht und eine enge Rahmung bei, die konstruierte Individualität und Emotionen beiseite lässt.

Zeitungsfotos & der Nachthimmel

Ab den 1990er-Jahren fand Ruff Interesse und Inspiration in Fotografien des Nachthimmels. Er glaubte, dass die Kosmologie es uns erlaube zu verstehen, woher wir alle kommen. Wie bereits erwähnt, zog er ursprünglich eine Karriere in der Astronomie in Betracht, bevor er seine Karriere als Fotograf begann. Ruff verband beide Interessen miteinander, indem er sich in der Serie auf Zeitungsfotos konzentrierte, die in deutschen Zeitungen veröffentlicht wurden. Er unterhielt ein Zeitungsfotoarchiv mit rund 2.500 Bildern.

ZEITUNGSFOTOS / NEWSPAPER PHOTOGRAPHS
Thomas Ruff – Ediert von Christoph Schifferli
und Lex Trueb

Aus diesen dokumentarischen Fotos wählte Ruff rund 400 aus, fotografierte sie ohne jede Beschreibung ab und gab einige von ihnen in Farbe, andere wiederum in Schwarzweiß wieder. Anschließend verdoppelte er ihre ursprüngliche Größe, um sie noch eindrucksvoller zu machen. In Zeitungsfoto 053 und Zeitungsfoto 072 kann man Ruffs Absicht, die räumliche Nacht zu dokumentieren, nachvollziehen.

Zeitungsfoto 053 ist ein chromogener Druck aus dem Jahr 1990 (21,2 x 14,1 cm). Der Druck ist Schwarzweiß und stellt in der Mitte eine Rakete dar. Die Schwarz-Weiß-Kontraste lenken die Aufmerksamkeit des Betrachters vor allem auf das Raumschiff. Mit dieser engen Fokussierung auf das Raumfahrzeug mag Ruff beabsichtigt haben, die Rakete für das menschliche Auge bewusst klein darzustellen.

Zeitungsfoto 072 ist ebenfalls ein chromogener Abzug von 1990 in kleinerem Format (20,5 cm x 17 cm). In Schwarzweiß stellt der Druck einen nicht näher benannten Planeten dar. Auch hier zieht der zentrale Fokus den Blick des Betrachters an. Ruff scheint mit der Größe des Planeten zu spielen, denn der Planet nimmt den größten Teil des Raumes ein, während die eigentliche Größe des Drucks klein bleibt.

Insgesamt präsentieren sich beide Drucke eher grobkörnig und dunkel, mit je zentral platziertem Objekt. Der Hintergrund ist schwarz und das fokussierte Objekt sticht hell aus dem dunklen Weltraum hervor. Auch in diesen beiden Werken wird Ruffs Technik, Gegenstände vollkommen unkommentiert wie objektiv zu porträtieren, deutlich. Die Zeitungsfotos sind die ersten bewusst unscharfen Bilder von Ruff. Diese Technik wird er später in anderen Serien, wie z.B. der Akt-Serie, wieder verwenden. Die Unschärfe der Fotografien verleiht seinen Werken eine abstrakte Dimension und stellt die Wahrnehmung des Betrachters in Frage.

Das Porträt des Nachthimmels und der Sterne wird für Ruff ein langfristiges Projekt bleiben. Die Werke Zeitungsfotos 053 und 072, sind die Vorläufer von Ruffs beliebter Serie bei der NASA. In seiner Serie Sterne, Cassini, Ma.r.s verwendete der Fotograf von der NASA frei zur Verfügung gestellte Himmelsbilder und interpretierte sie mit den gleichen Techniken der Unschärfe und Nahfokussierung neu, um Saturn undf Mars zu porträtieren.

Man kann Ruffs Entschlossenheit erkennen, den Nachthimmel durch seine Arbeit zu dokumentieren und dabei Identitätsbilder unserer Sterne zu erstellen. Das Hauptziel des Fotografen war es, hervorzuheben, dass wissenschaftliche Fotografie wirklich existiert. Für ihn kann die Dokumentarfotografie interessant und schön zugleich sein. Zeitungsfoto 053 und Zeitungfoto 072 erinnern uns daran, dass man die Natur und unsere Umgebung gleichzeitig dokumentieren und bewundern kann: Kunst kann Information transportieren, so wie Information eine Kunst sein kann.

„Meine Bilder sind keine Abbilder der Realität, sondern zeigen eine Art zweite Realität, das Bild des Bildes“ – Thomas Ruff

Alles in allem sind die Arbeiten von Thomas Ruff eine Inspiration für andere zeitgenössische Fotografen, seine Vision des Dokumentationscharakters der Fotografie ist auch heute noch einflussreich und relevant in der Kunstwelt.