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Gestohlene Ware: Die wundersamen Geschichten von Kunstdiebstählen

Obwohl der Begriff “Kunstgeschichte” schwerlichst Bilder von maskierten Banditen oder das mysteriöse Verschwinden eines unbezahlbaren Gemäldes hervorruft, spielen Kunstraube schon immer eine wichtige Rolle in der Kunstwelt. Kunst wird aus vielerlei Gründen gestohlen: manchmal aus Geldgier, manchmal aus Machtgelüsten, manchmal aus Liebe und Nostalgie. Welcher Grund auch immer, wenn ein Kunstwerk gestohlen wird, verhilft der Akt des Raubes ironischerweise zu einer Wertsteigerung des besagten Werkes. Ein Kunstraub addiert Rätsel und historisches Verständnis zum Kunstwerk, es kreiert eine Geschichte, die oft zur Legende wird. Der allumfassende Gedanke könnte zusammengefasst werden als “wenn etwas gestohlen wird, muss es wohl wertvoll sein”. Zumindest ist das die Faustregel, welche oft erzählt wird.

Die Realität eines Kunstraubs ist jedoch weniger als schwarz und weiß zu betrachten. Während die meisten davon ausgehen, dass Geld der Hauptgrund für einen Kunstraub ist, ist der Weiterverkauf eines gestohlenen Werkes ungemein schwierig und riskant. Dies ist wahrscheinlich der Grund warum ca. 90% der gestohlenen Kunstwerke von ihren Dieben zerstört werden. Warum passieren Kunstdiebstähle dann  trotzdem immer wieder?

In diesem Artikel tauchen wir ein in die seltsame Geschichte von Kunstrauben. Wir betrachten die Gründe, warum Kunst gestohlen wird und fragen nach, was Kunstdiebe uns erzählen können über wie wir den Wert von Kunst messen.  Diebstähle ereignen sich aus unterschiedlichen Gründen an verschiedenen Orten, aber existiert ein allgemeiner Faden, der all diese Geschichten miteinander vereint? Lassen Sie es uns herausfinden!

Europas gestohlene Kunst: Picasso verschwindet aus Paris

Während die meisten Werke von Picasso ein Zuhause in Museen haben, gibt es dennoch ein paar Gemälde, bei denen sich der Künstler während seiner Lebzeit weigerte sie zu verkaufen. Diese ausgewählten Arbeiten verbleiben in der Familie, wie beispielsweise bei Picassos Enkelin Diana Widmaier-Picasso. Im Februar 2007 wurde in Dianas Zuhause in Paris eingedrungen und Kunstwerke in Höhe von 66 Millionen Dollar verschwanden. Der Raub passierte mitten in der Nacht und verlief nahezu unbemerkt. Diana und ihre Mutter Maya waren beide zu Hause während des Einbruchs. Die beiden erinnern sich daran, dass sie aufwachten nachdem sie ein seltsames Geräusch hörten, aber auf Untersuchung hin, schien es so, als würde nichts fehlen. Erst am nächsten Morgen bemerkten sie, dass  sich ein Kunstraub gigantischen Ausmaßes ereignet hatte.

Der Raub wurde sorgfältig geplant. Dianas Adresse war öffentlich nicht zugänglich, demnach wurde die Erbin wahrscheinlich vor dem Einbruch beschattet. Das Alarmsystem, welches nachts immer aktiviert war, wurde von einer geübten Hand deaktiviert. Weder die Fenster des Apartments noch die Eingangstür zeigten Spuren eines gewaltsamen Einbrechens. In aller Wahrscheinlichkeit hatten die Räuber Zugang zu den Zugangscodes des Wohngebäudes und im Anschluss entweder das Schloss geknackt oder waren im Besitz eines Schlüssels zu ihrer Eingangstür.

Maya a la Poupee (Maya mit Puppe) 1938, eines der Gemälde, das 2007 aus dem Zuhause von Maya and Dianna Widmaier-Picasso gestohlen worden ist.
Maya a la Poupee (Maya mit Puppe) 1938, eines der Gemälde, das 2007 aus dem Zuhause von Maya and Dianna Widmaier-Picasso gestohlen worden ist.

Drei Jahre lang befanden sich die Gemälde und deren Dieb auf der Flucht. Erst im Jahr 2007 identifizierte man den Täter als den Franzosen Abdelatif Redjil, ein notorischer Einbrecher, der bekannt war für seine Fähigkeit Schlösser zu knacken und Gebäude absolut unbemerkt zu betreten. Obwohl dieser Fall eine hohe Priorität hatte, zu dem genauen Grund, wie man Redjil als Täter überführen konnte, ist wenig bekannt.

Und es wird seltsamer. Bevor man ihn als den Picasso-Räuber verhaftete, hatte sich Redjil bereits global einen Namen gemacht als die erste Person, die am Ort von Prinzessin Dianas fatalen Autounfall im August 1997 auftauchte. Ein Zufall?

Ein ungelöster Fall: Das Isabella Stewart Gardner Museum in Boston

Einer der berüchtigsten Kunstdiebstähle der Geschichte ereignete sich im Jahr 1990 in Bostons Isabella Stewart Gardner Museum. Nach Erkenntnissen des FBI wurde der Raub von einer kriminellen Organisation verübt, die ansässig im Mittelatlantik und der New England Gegend ist, sehr wahrscheinlich handelt es sich hierbei um die New England Mafia. Die Diebe hatten ihr Vorgehen bis ins kleinste Detail hin geplant. Verkleidet als Polizisten, gaben zwei Männer vor wegen einer “Ruhestörung” zum Boston Museum gerufen worden zu sein und bekamen so Zutritt zum Museum. Sobald sie im Gebäude waren, legten die falschen Polizisten die anwesenden Museumswächter in Handschellen und sammelten 13 der berühmtesten Kunstwerke des Museums ein. Darunter waren Meisterstücke von Rembrandt, Vermeer und Degas. Der Gesamtwert der gestohlenen Güter beläuft sich auf 550 Millionen Dollar. Mehr als 20 Jahre später ist der Fall immer noch ungelöst.

 Der leere Rahmen von Rembrandts Christus im Sturm auf dem See Genezareth verbleibt ausgestellt im Isabella Stewart Gardner Museum. Foto: Josh Reynolds/AP.
Der leere Rahmen von Rembrandts Christus im Sturm auf dem See Genezareth verbleibt ausgestellt im Isabella Stewart Gardner Museum. Foto: Josh Reynolds/AP.

In 2015 zeigten Aufnahmen der Sicherheitskamera, dass die Einbrecher ihr Verbrechen eine Nacht vor Tatbeginn geprobt hatten. Viele hinterfragten ein Verschulden der Sicherheitsmänner, die in dieser Nacht Dienst hatten. Vielleicht waren diese Komplizen der Räuber, Beweise für diese Theorie wurden jedoch nie erbracht.

In den frühen 2000ern erklärte das FBI, dass die gestohlenen Kunstwerke zu einem Zeitpunkt in Philadelphia zum Verkauf angeboten wurden. Wie auch immer, es ist möglich, dass dies nur eine falsche Fährte war. Kürzlich, im Jahr 2017 wurde angenommen, dass die gestohlenen Werke in Irland beherbergt werden. Diese Information kam vom Kunstberater und PI Arthur Brand, der behauptete diese Spur von einem ehemaligen IRA Informanten bekommen zu haben, welcher sagte, die Kunstwerke würden seit Jahren im kriminellen Syndikat kursieren. Das war vor zwei Jahren, seitdem hat sich die Lage nicht geändert und weder Brand noch das FBI konnten die gestohlenen Meisterwerke orten.

Ein kurioser Fall im Nationalmuseum in Stockholm

Drei Tage vor Weihnachten im Jahr 2002 passierte einer, der am besten ausgeführten Raubzüge im Nationalmuseum in Stockholm, Schweden. Drei Männer, ausgerüstet mit Maschinengewehren, spazierten in das Nationalmuseum. Einer bedrohte den Wachmann mit einer Waffe, während die anderen beiden den Diebstahl von drei Gemälden vollführten. Bei den gestohlenen Werken handelt es sich um ein Selbstporträt von Rembrandt und zwei Gemälde von Renoir, “Das Gespräch mit dem Gärtner” und “Junger Pariser”. Der geschätzte Wert dieser drei Werke belief sich auf 30-36 Millionen Dollar.

Sobald die Werke erbeutet waren, flüchteten die bewaffneten Diebe aus dem Museum und gingen an Bord eines Bootes, das im benachbarten Hafen wartete. Dies ist jedoch nicht die einzige Vorkehrung, welche die Diebe getroffen haben. Die Gruppe platzierte zudem Autobomben an neuralgischen Punkten der Stadt, um die Polizeibeamten abzulenken. Davon abgesehen schlitzten sie die Reifen von nahe gelegenen Polizeiautos auf, bevor sie das Museum betraten.

Das Nationalmuseum in Stockholm aus der Sicht des Hafens von wo aus die Diebe mit einem Boot flüchteten
Das Nationalmuseum in Stockholm aus der Sicht des Hafens von wo aus die Diebe mit einem Boot flüchteten

Trotz des gut durchdachten Plans, wurden alle Verdächtigen innerhalb eines Monats verhaftet, zehn insgesamt. Die drei Kunstwerke wurden nachfolgend innerhalb von vier Jahren wieder zurückgewonnen. Renoirs “Das Gespräch mit dem Gärtner” wurde zufällig in einer vollkommen unabhängigen Drogenrazzia im Jahr 2001 gefunden. 2005 wurde Rembrandts Selbstporträt schließlich in einem Hotelzimmer in Kopenhagen wiederentdeckt, scheinbar war es vorgesehen für einen Weiterverkauf. Auch Renoirs “Junger Pariser” wurde vom FBI wieder aufgefunden, im Zeitraum von 2001 – 2005. Wie genau, der Fund des verlorenen Gemäldes erfolgte, wurde der Öffentlichkeit jedoch nie mitgeteilt.

Gestohlene Kunst im Krieg: Nazis plündern systematisch europäische Kunst (1933-1945)

Die Plünderung der europäischen Kunst durch die Nationalsozialisten im zweiten Weltkrieg ist möglicherweise der größte systematische Kunstdiebstahl in der Geschichte. Adolf Hitler, obwohl von der Wiener Kunstakademie abgewiesen, sah sich selbst als einen Kunstkenner an.  Ein Teil seiner Kennerschaft beinhaltete imposante Vorschriften zu den Kriterien für den Anspruch auf einen Status als bildende Kunst Der Diktator lehnte unnachgiebig die Moderne Kunst ab, darunter vor allem die Stile Kubismus, Futurismus und Dadaismus. All diese sah er als ein Produkt der schwachen Gesellschaft des 20. Jahrhunderts an.

Eine Kapelle dient den Nazis als eine Lagermöglichkeit für gestohlene Kunst im 2. Weltkrieg
Eine Kapelle dient den Nazis als eine Lagermöglichkeit für gestohlene Kunst im 2. Weltkrieg

Unter dem Dritten Reich wurde Kunst von jedem Land gestohlen, welches von Nazideutschland besetzt war. Kunst wurde ausdrei Hauptgründen gestohlen: um das Führermuseum zu beliefern, um die private Sammlung von hohen Offizieren zu füllen und um Hitlers wachsendes Imperium zu finanzieren. Im letzten Fall wurden die gestohlenen Kunstwerke bei einer öffentlichen Versteigerung verkauft, die berühmteste war die Versteigerung der “Entarteten Kunst” im Jahr 1938. Obgleich die Werke von Nazis aus deutschen Museen verbannt worden waren, war besagte Auktion von angesehenen Kunsthändlern und Museumskuratoren gut besucht.

Kunstwerke, die aus besetzten Ländern gestohlen wurden, wurden entweder in privaten Sammlungen von Militär- und Politikvertreter aufbewahrt oder in großen Mengen an bestimmten Sammelpunkten innerhalb von Deutschland gelagert. Insgesamt wurden während des 2. Weltkrieges rund hunderttausende Kunstwerke von den Nationalsozialisten geraubt. Einige Werke wurden in deutschen Minen gelagert, wo diese glücklicherweise von den Bombenanschlägen der Alliierten geschützt waren. Als das Dritte Reich 1945 fiel, begannen die Alliierten den mühsamen Prozess der Restitution, um eine Vielzahl gestohlener Werke zu bergen. Dennoch wurden viele Stücke, besonders diejenigen, die in privaten Sammlungen von Hitlers Komplizen aufbewahrt wurden, nie gefunden und verbleiben bis zum heutigen Tag verschollen.

Porträt von Adele Bloch-Bauer I in Auftrag gegeben von Adeles Ehemann, Ferdinand Bloch-Bauer ein österreichisch-jüdischer Bankier, in 1907. Es wurde gestohlen von den Nazis im Jahr 1941 und  wurde das Subjekt eines anstrengenden Restitutionsprozess in den frühen 2000er.
Porträt von Adele Bloch-Bauer I in Auftrag gegeben von Adeles Ehemann, Ferdinand Bloch-Bauer ein österreichisch-jüdischer Bankier, in 1907. Es wurde gestohlen von den Nazis im Jahr 1941 und  wurde das Subjekt eines anstrengenden Restitutionsprozess in den frühen 2000er.

Während viele Werke  in ihre Heimatländer zurückgeführt werden konnten, wurden andere ab nun in Museen ausgestellt, statt zu ihren rechtmäßigen Besitzern zurückzufinden. Der Hauptgrund hierfür war meist die Schwierigkeit  den ursprünglichen Besitzer nach dem zweiten Weltkrieg auszumachen. Das Metropolitan Museum of Art in New York veröffentlichte zum Beispiel eine Liste, die 393 Gemälde in deren Sammlung dokumentierte, die eine Lücke in ihrer Provenienz während der Nazizeit aufweisen. Ebenso das Kunstinstitut von Chicago hat über 500 Werke aufgelistet “für welche Verknüpfungen in der Besitzerkette der Jahre 1933-1945 immer noch unklar oder jene nicht vollständig nachgewiesen sind”.

Was erzählt uns die Geschichte von gestohlener Kunst?

Gibt es einen gemeinsamen roten Faden, der sich durch diese unterschiedlichen Geschichten zieht? In jeder differenziert sich der Weg wie die Kunstwerke geraubt wurden und welche Werke als derart wertvoll erachtet wurden, dass man sie stiehlt. Im Fall Stockholm waren die erbeuteten Arbeiten von Rembrandt Renoir niemals für einen Wiederverkauf vorgesehen. Die Diebe forderten stattdessen ein Lösegeld von 3 Millionen Dollar für eine sichere Rückkehr der Werke, wissend, dass ein Wiederverkauf jener unvermeidlich zu ihrer Verhaftung führen würde. In Boston wurden die geraubten Werke nicht zwecks Lösegeld entwendet und waren auch scheinbar nie für eine Auktion vorgesehen. Berichte, welche zunächst auf die Mafia und später auf die IRA deuteten, suggerierten, dass die Kunstwerke als Tauschgut benutzt wurden. Damit waren die Werke niemals in der Lage die kriminelle Unterwelt zu verlassen und wurden eher als unerlaubte Währung behandelt.

Diese Entscheidung scheint als Schlüssel zum andauernden Erfolg der Räuber von Boston gedient zu haben. Dank der Entscheidung, die Kunstwerke von der Öffentlichkeit fernzuhalten, ist er als größter ungelöster Kunstraum in die Geschichte eingegangen. Während der genaue Grund wie Picasso Dieb Abdelatif Redjil gefasst wurde, unbekannt bleibt, ist es doch unwahrscheinlich, dass eine Verhaftung durch die Verfolgung eines Verkaufs des gestohlenen Picassos herbeigeführt wurde. Redjil war, laut BBC, eine “Untergrundfigur”. Spitznamen, die der gewiefte Dieb von seinen Komplizen bekam waren “Goldfinger” oder “The Locksmith”  Jemand mit derartig kriminellem Scharfsinn würde doch genau wissen, einen Verkaufsversuch zu einem unbekannten oder nicht vertrauenswürdigen Käufer zu unterlassen.

Was motiviert einen Kunsträuber?

Wahrend die Vorgehensweise der Kriminellen wie “Goldfinger” oder der namenlosen Diebe aus Boston in gewissem Maße sensationell und faszinierend ist, sind diese Geschichten nicht die Spitze des Eisbergs an gestohlener und verschollener Kunst. 1911 wurde die Mona Lisa aus dem Louvre entwendet. In 2014, 1500 Werke wurden nach München zurückgeholt, angenommen dass diese im 2. Weltkrieg gestohlen wurden, aber dies wurde nie bestätigt. Vor einigen Wochen wurde ein gigantisches goldenes Ei von einer öffentlichen Dalì Skulptur in Vancouver, Kanada, gestohlen. Obwohl dieses Ei keinen eigenständigen finanziellen Wert hat. Und, während “Goldfinger” gezwungen wurde das gestohlene Werk Picassos zurückzugeben, gelten nach wie vor mehr als 400 Werke von ihm als verschollen.

Es gibt viele Gründe für den Diebstahl von Kunstwerken. Manchmal wird Kunst aus finanziellen Gründen gestohlen, wie es in Stockholm der Fall war, doch ist dies nur eine Ausnahme, da es sehr schwierig ist Kunst weiterzuverkaufen. Manchmal wird gestohlene Ware zu einer Art Tauschware und wird intern zwischen kriminellen Syndikaten hin und her bewegt, wie angeblich im  Bostoner Fall. Oder, und dies ist meist das Szenario, die Kunstwerke verschwinden vollkommen und tauchen nie wieder auf. Der Grund hinter deren Raub und dem Verbleib der Werke, bleibt dann meist auf ewig unbekannt.

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