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Meisterwerke: False Start von Jasper Johns

Jasper Johns’ bekanntes Gemälde False Start von 1959 in Öl auf Leinwand ist ein Brückenschlag zwischen abstraktem Expressionismus und Pop Art und verdeutlicht mit der Verwendung von sprachlichen wie visuellen Symbolen die Weiterentwicklung von Johns’ Stil. Bei diesem Vorläufer der Pop Art griff Johns Einflüsse von Marcel Duchamp und John Cage auf und beeinflusste selbst das Interesse an Sprache und Bedeutungsinhalten, die in der Konzeptkunst der 1960er Jahre eine wichtige Rolle spielen würden. In diesem Beitrag wirft Singulart einen genaueren Blick auf False Start im Kontext von Jasper Johns’ Karriere und geht auf seine Bedeutung für spätere künstlerische Bewegungen ein.

Wer ist Jasper Johns?

Jasper Johns ist ein US-amerikanischer Maler, Druckgrafiker und Bildhauer, der den Bewegungen des abstrakten Expressionismus sowie Neo-Dada zugeordnet wird und zudem als Wegbereiter der Pop Art gilt. Geboren 1930 in Augusta in Georgia, wuchs Johns in South Carolina auf, einem Bundesstaat, in dem es laut Johns weder Künstler noch künstlerische Aktivitäten gab. Sein Kindheitswunsch, Künstler zu werden, führte ihn 1947-1948 für drei Semester an die University of South Carolina. 1949 zog er nach New York und studierte an der Parsons School of Design, bis er während des Koreakrieges zum Militärdienst eingezogen und 1952-1953 im japanischen Sendai stationiert wurde.

Jasper Johns

Nach seiner Rückkehr nach New York 1954 lernte er den Maler Robert Rauschenberg kennen, und die beiden waren mehrere Jahre ein Paar. In dieser Zeit tauschten sie sich mit befreundeten Künstlern der Avantgarde aus, darunter der Tänzer und Choreograf Merce Cunningham und der Komponist John Cage. Als der Galeriebesitzer Leo Castelli Rauschenberg besuchte, wurde er auf die Arbeiten von Johns aufmerksam. Castelli organisierte 1958 Johns‘ erste Einzelausstellung, wo vier seiner Werke von Alfred Barr gekauft wurden, dem Gründungsdirektor des Museum of Modern Art in New York. 1963 gründete Johns mit John Cage die unter dem Namen Foundation for Contemporary Arts bis heute bestehende Non-Profit-Organisation zur Unterstützung von Gegenwartskünstlern. Johns wurde auch in Europa zunehmend populär, wo er auf der Biennale von Venedig und mehrfach auf der documenta in Kassel ausstellte. In den 1970er Jahren arbeitete er mit Samuel Beckett, für den er mehrere Grafiken und Buchillustrationen schuf. Für die Dance Company von Merce Cunningham und John Cage entwarf er zahlreiche Bühnenbilder, Plakate und Kostüme. Jasper Johns lebt und arbeitet heute in Sharon, Connecticut.

Seine Techniken

Johns ist berühmt für seine fortlaufenden stilistischen und technischen Experimente. Seine wegweisenden Werke haben die Zeit zwischen abstraktem Expressionismus und Pop Art geprägt. Als Reaktion auf die gestische Abstraktion, die während der vorangegangenen Generation dominierte, wandte sich Johns der Suche nach Bildern in „Dingen, die der Geist bereits kennt“ zu, darunter Flaggen, Ziffern, Zielscheiben und Landkarten. Inspiriert von Marcel Duchamps Ready-Mades und anderen künstlerischen Experimenten, kombinierte Johns in einer charakteristischen Collagetechnik populäre Bildmotive mit Ölmalerei. Er löste stark wiedererkennbare Symbole wie die amerikanische Flagge aus ihrem Kontext und verwandelte sie mit Ölfarben und Flüssigwachs auf Leinwand in etwas völlig anderes, etwa bei einem seiner berühmtesten Werke, Flag (1954-1955).

False Start

False Start stellt einen Übergang von Johns’ früheren Techniken zu einem weiterentwickelten Stil dar. Zur Motivation für diese Veränderung meinte Johns, dass es bei seinem Schaffen gewisse Grenzen gegeben hatte, „die ich überwinden wollte… Bei Flaggen und Zielscheiben ist die Position der Farben vorbestimmt. Ich wollte einen Weg finden, Farbe so einzusetzen, dass die Farbe durch eine andere Methode bestimmt wird.“

Jasper Johns, False Start, 1959

False Start ist ein Gemälde in Ölfarben auf Leinwand aus dem Jahr 1959. Johns schuf 1962 zudem Variationen als Farblithografien, False Start I und False Start II. Auf einer Größe von 170,8 × 137,2 cm zeigt es Farbexplosionen in Rot, Blau, Gelb, Orange und Grau. Farbbezeichnungen sind in einer jeweils anderen Farbe aufgetragen, so ist beispielsweise das Wort RED in Orange oder das Wort WHITE in Rot geschrieben. Die Spannung zwischen dem Visuellen und dem Verbalen, der Farbe und ihrer Benennung ist ein scheinbar einfaches Mittel, das den Betrachter zu eine tiefergehenden, semiotischen Auseinandersetzung mit dem Bild veranlasst. Anstatt die Worte von Hand zu malen, benutzte Johns eine vorgefertigte Schablone, und dieses Wegnehmen der eigenen Hand vom Bild lässt an die Techniken von Marcel Duchamp denken. Johns war zudem von John Cages Zufallsexperimenten inspiriert. Beispielsweise verließ er sich hier selbst auf eine Technik, bei der seine Bewegungen zur Führung der Pinselstriche zufallsbasiert waren, anstatt sie im Voraus als Komposition zu planen, was zu stürmischen Flecken an Farbe führte. 2006 verkaufte David Geffen das Gemälde an einen anderen Privatsammler für 80 Millionen US-Dollar – der bisherige Rekordpreis für ein Werk von Johns.

Mit der Diskrepanz zwischen dem Sprachlichen und dem Visuellen setzte Johns seine bisherigen nonverbalen Symbole fort und spielte mit traditionellen Wahrnehmungen, indem er die Worte in Objekte verwandelte. Ihm gelang sein Wunsch nach dem Überwinden seiner bisherigen Grenzen durch das Miteinbeziehen von visuellen und verbalen Symbolen in die Komposition. Dieser sprachliche Ansatz hatte einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung der Konzeptkunst in den 1960er Jahren und deren Auseinandersetzung mit Wörtern und ihrer Bedeutung. Sein Werk verschob die Schwerpunkte der Malerei vom Gestischen des abstrakten Expressionismus in Richtung Pop Art und machte Jasper Johns zu einem der wichtigsten zeitgenössischen Künstler.

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