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Frida Kahlos Selbstportraits

Die mexikanische Künstlerin Frida Kahlo hat Zeit ihres Lebens eine reiche Anzahl an Selbstportraits angefertigt, die den Mittelpunkt ihrer fulminanten Werke ausmachen. Frida Kahlos Selbstportraits sind eindringlichen Metaphern ihres Lebens, dass von von vielen Schicksalsschlägen gezeichnet war. Schwere Krankheiten, wie das schmerzhafte Leiden an den Folgen eines Verkehrsunfalls und die geradezu selbstzerstörerischen Beziehung zu ihrer großen Liebe, dem Maler Diego Rivera, sind in ihren Kunstwerken festgehalten. Frida Kahlo hinterließ einen künstlerischen Schatz an ihre Nachwelt, in der das Selbstportraits ein zentrale Rolle einnimmt.

Frida Kahlo: Die zerbrochene Säule, 1944, Öl auf Hartfaser, 39,8 x 30,5 cm

Warum Selbstportraits?

Der einschneidende Schicksalsschlag 1925

Frida Kahlos Selbstportraits sind durch alle Schaffensphasen hindurch entstanden. Den Grund dafür nannte Sie selbst: Einsamkeit und die Tatsache, dass sie sich selbst am besten kennt. Die erwähnte Einsamkeit begann mit ihrem Unfall im Jahre 1925 am 17. September 1925, damals war sie gerade 18 Jahre alt. Der Bus, indem sie nach der Schule saß, stieß mit einer Straßenbahn zusammen. Eine Metallstange bohrte sich durch ihren Unterleib und beschädigte die Wirbelsäure und das Becken stark. Sie war nach diesem Schicksalsschlag drei Monate an ihr Bett gefesselt, einen Monat verbrachte sie davon im Krankenhaus. Danach schien Frida Kahlo zunächst geheilt, doch sie litt unter starken Schmerzen im Rückgrat und am rechten Fuß, dazu kam eine andauernde Müdigkeit. Frida wurde daraufhin erneut ins Krankenhaus eingeliefert und untersucht, dabei stellte man einen fatalen Gesundheitszustand fest, da ihr Lendenwirbel gebrochen war. Von da an war sie gezwungen neun Monate verschiedene Arten von Gipskorsetts zu tragen.

Das Korsett

Dieses dreiviertel Jahr war ein Martyrium für Frida Kahlo, ihre Bewegungsfreiheit war stark eingeschränkt und teilweise musste sie tagelang regungslos im Bett liegen. Ihre Mutter ließ damals eine Staffelei anfertigen, die so gebaut wurde, dass sie im Liegen malen konnte. Ihr Vater hatte seit vielen Jahren eine Schachtel mit Ölfarben und Pinseln in einer Ecke seines Studios. Frida drückte es selbst folgendermaßen aus:

„Sobald ich meine Mutter wiedersah, sagte ich zu ihr: “ Ich bin nicht gestorben, und außerdem habe ich etwas, wofür es sich zu leben lohnt: die Malerei. Da ich in einem Gipskorsett liegen musste, das von den Schlüsselbeinen bis zum Becken reichte, konstruierte meine Mutter mir ein lustiges Gestell mit einer Holztafel, um das Papier daran zu befestigen. Es war ihre Idee, mein Bett mit einem Himmel im Renaissancestil zu versehen. Sie brachte einen Baldachin an und hängte an der Unterseite einen Spiegel auf, so dass ich mein Spiegelbild als Modell nehmen konnte.“

Frida Kahlo

In dieser Zeit begannen ihre ersten Selbstportraits, die insgesamt mehr als die Hälfte ihrer Bilder ausmachen und sich in ganzfigurige Portraits sowie Kopf- und Brustportraits gliedern lassen.

Ganzfigurigen Portraits

Bei Kahlos ganzfigurigen Selbstportraits handelt es sich um szenische Darstellungen ihrer Wirklichkeit, die dem Betrachter oft auf drastische Weise einen Einblick in Fridas gelebte und gefühlte Welt geben. Wir sehen sie verletzt unter einer Straßenbahn liegend, aus dem nackten Unterleib blutend, auf einem Krankenhausbett (Henry Ford Hospital, 1923), mit durchbohrter Brust und verkrüppeltem Fuß neben einem herausgerissenem Herzen stehend (Erinnerung, 1937),  allerlei Getier und Gedärm ausspeiend, (Ohne Hoffnung, 1945) oder mit überdimensionalem Kopf an der nackten Brust einer maskierten Amme saugend (Meine Amme, 1937). Mit ihren wiederkehrenden Motiven wie Blut, isolierten Organen und Körperteilen, Nacktheit oder Symbolen, die vor allem die weibliche Sexualität thematisieren, brach sie Tabus und schockierte ihr Publikum ebenso wie sie es faszinierte. 

“Frida Kahlo ist die erste Frau, die in ihren Bildern mit absoluter und schonungsloser Aufrichtigkeit Themen aufgreift, die ausschließlich Frauen betreffen.“

Diego Riviera

Seltener lassen sich ganzfigurige Selbstporträts finden, in denen sie sich in ihrer ganzen Pracht zeigt. Bilder die Frida Kahlo glücklich, schön und stolz in farbenfrohen Gewändern zeigen.  Ein Beispiel dafür ist das Gemälde, in dem Frida ihre ambivalente Einstellung gegenüber dem „Gringoland“ deutlich macht. In diesem Bild trägt sie ein elegantes pinkfarbens Kleid, sowie eine mexikanischen Flagge in der Hand. Sie steht wie eine Statue auf einem Sockel, stolz und patriotisch auf Mexiko mit seiner Kultur und Flora und zeigt dem Betrachter gleichzeitig das negativ besetzte, von der Technik dominierte tote nordamerikanische Land der USA (Selbstbildnis auf der Grenze zwischen Mexiko und USA, 1932). Ein weiteres Selbstbildnis war Leo Trotzki gewidmet. Die Künstlerin präsentiert sich hier feminin mit rosigen Wangen, einen Blumenstrauß in den Händen haltend zwischen einem Vorhang (Selbstbildnis, Leo Trotzki gewidmet oder between the curtains, 1937).

Doppelporträts

Sie malte auch einige Doppelporträts wie das von Diego und Frida (Frieda und Diego Riviera oder Frieda Kahlo und Diego Riviera, 1931), dieses Werk entstand womöglich nach ihrer Hochzeit. Der tatsächliche Größenunterschied des Paares wirkt übersteigert. Fridas zierliche Füße scheinen den Boden kaum zu berühren, wohingegen Diego massiv mit riesigen Füßen den Boden berührt. Ein weiteres Doppelportrait sind die Die zwei Fridas von 1939.

Fazit

Frida Kahlo verarbeitete sowohl in ihren Kopf- und Brustporträts, als auch in den ganzfigurlichen Selbstbildnissen Themen, die ihr Leben und ihren Seelenzustand prägten: Ihre Beziehung zu Diego Rivera, ihre körperliche Versehrtheit, ihre Kinderlosigkeit, ihr Verhältnis zur Natur und ihre Herkunft oder ideologische Gesinnung. 

Nach den Gründen für die große Anzahl von Selbstportraits befragt, erklärte Frida Kahlo einmal:

„Ich male mich, weil ich sehr viel Zeit alleine verbringe und weil ich das Motiv bin, das ich am besten kenne.“


Frida Kahlos Selbstportraits sollte nicht ausschließlich als Ausdruck ihrer Leidensgeschichte gesehen werden, es ist vielmehr ein originelles und vielschichtiges, im patriotischen Bekenntnis zum „Mexicanismo“ wurzelndes, engstens mit Völkerkunst und Mythologie verbundenes Oeuvre. Obwohl sich Frida Kahlo oft selbst darstellte und viele ihrer Bildnisse sich auf den ersten Blick ähneln, gibt es keine kohärente Frida.

Frida Kahlo