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Das Künstlerdasein in Zeiten einer Pandemie

Das Jahr 2020 neigt sich dem Ende zu, Weihnachten steht vor der Tür und Singulart möchte die Gelegenheit nutzen, um auf das ereignisreiche Jahr 2020 zurückzublicken. Ein Jahr, das in die Geschichte eingehen wird, geprägt von einer globalen Pandemie, die alle unsere Pläne nachhaltig beeinflusst hat. Sie hat uns nicht nur gezwungen unsere Pläne neu zu gestalten, sondern sie hat sicherlich auch unser Bild vom modernen Menschen in einer digitalisierten, technologisch versierten Welt in ein neues Licht gerückt.

Während des ersten Lockdowns in Frankreich blickten wir zurück auf die Geschichte der Menschheit, wo Pandemien in Form der Pest oder der Spanischen Grippe die Bevölkerung nachhaltig erschütterten. Kunstwerke, die sich mit diesem Thema auseinandersetzen, sind ein eindrucksvolles Zeugnis einer Epoche und künstlerische Interpretation für die Nachwelt. Seit dem ersten Lockdown im April ist viel passiert. In diesem Jahr mussten wir lernen zu entschleunigen, lernen unsere Bewegungsfreiheit einzuschränken, lernen uns von Freunden und Verwandten fernzuhalten und mit den wirtschaftlichen und finanziellen Folgen umzugehen. Wir sind alle betroffen, aber einige Sektoren, wie das Gaststätten- und Hotelgewerbe und natürlich der Kunst- und Kultursektor, wurden besonders hart getroffen. Kulturschaffende spüren die Auswirkungen der Corona-Krise nicht nur in finanzieller Hinsicht. In diesem Jahr haben Künstler, Galeristen und Ausstellungsmacher gelernt, im Konjunktiv zu sprechen. Jede internationale Ausstellung oder Kunstmesse wie die art Basel, die FIAC in Paris oder die Biennale in Venedig sind verschoben oder abgesagt worden.
Wie sehr wird die Kunst von ihrem Umfeld bestimmt? Wenn wir Marcel Duchamp glauben, dann ist der Kontext entscheidend. Wenn die Umgebung plötzlich verschwindet – wo existiert dann die Kunst? Ohne den Raum des Museums oder der Galerie wird die Bedeutung des digitalen Ausstellungsraums immer wichtiger und zeigt, dass sich der Resonanzraum ins Internet verlagern musste. Wir leben in einer säkularisierten Gesellschaft, in der die Bürger nicht nur in der Synagoge, Kirche oder Moschee Trost finden, sondern auch in kulturellen Einrichtungen wie Theatern, Konzertsälen, Museen oder Galerien. Deshalb freuen wir uns bei Singulart, dass es uns gelungen ist, auch in diesen schwierigen Zeiten, Künstlern die Möglichkeit zu geben, ihre Kunst, trotz der physischen Barrieren, sichtbar zu machen. Dieses Jahr hat bewiesen, dass der Online-Kunstmarkt wichtiger und stärker denn je ist, um Kunst auszustellen und an Sammler rund um den Globus zu liefern. Kunst ist nicht nur eine angenehme Abwechslung und Ablenkung, sie ist ein Lichtblick in der Enge und macht die häusliche Isolation für viele Menschen erträglicher. Kunst ist unverzichtbar in der Auseinandersetzung mit existenziellen Fragen der menschlichen Existenz, auch und gerade in Zeiten, in denen sich die gesellschaftlichen Fundamente als brüchig erweisen. So haben Kunst und Kultur unserer Demokratie in der jüngsten Vergangenheit entscheidend geholfen, durch schwierige Zeiten zu navigieren.

Wir haben uns die Zeit genommen, mit den Künstlern Carlos Blanco Artero, Susana Aldanondo und Carola Thiele über dieses einschneidende Jahr zu sprechen. Wir freuen uns, Einblicke in ihre Gedanken, Gefühle und Erfahrungen zu bekommen.

Carlos Blanco Artero

„Meine Situation als Künstler hat sich kaum verändert, mein Tagesablauf ist genau derselbe. Man könnte sagen, dass der Künstler in einem ständigen Lockdown lebt.“

PAPER-EATER, 2020
Carlos Blanco Artero

Carlos Blanco Artero ist ein international erfolgreicher spanischer Künstler aus Madrid. Seine Kunst wurde bereits in Galerien und Museen in Paris, New York, Singapur ausgestellt. Sein Malstil hat sich im Laufe der Jahre von einer figurativen zu einer expressiveren, gestischen Malerei gewandelt, bei der die figurativen Elemente verwischt werden. Carlos teilte mit uns seine Erfahrungen, wie die Pandemie alle seine Pläne unerwartet änderte. Der Beginn der Pandemie führte dazu, dass er drei Monate lang in Berlin festsaß, weil alle Flüge nach Madrid gestrichen wurden. Auch seine Pläne für sechs Monate in der Dominikanischen Republik zu leben, waren nicht mehr realisierbar. Glücklicherweise wurde seine Einzelausstellung, die für 2020 geplant war, ohne Probleme auf 2021 verschoben. Jedoch wurden auch viele seiner Gruppenausstellungen abgesagt.

Auf die Frage, ob die Pandemie seinen Stil beeinflusst hat, hat Carlos eine klare Botschaft: „Wenn man wirklich einen künstlerischen Weg einschlägt, kann auch eine solche Situation den Stil nicht verändern oder beeinflussen. Die Beziehung zwischen dem Künstler und seiner Malerei ist viel intimer und immanenter als jede Krise.“

Carlos erklärt weiter, dass er die Pandemie nicht auf offensichtliche Art und Weise künstlerisch umsetzen wollte. Trotzdem hat auch er das Thema künstlerisch aufgegriffen und ein Werk mit dem Titel PAPER-EATER komponiert, das seinem Stil treu bleibt. Ohne Hintergrundwissen könnte man meinen, es handele sich um ein humorvoll-ironisches Werk, aber Carlos erklärt, dass er sich darauf konzentriert hat, eine andere Perspektive zu zeigen. Inspiriert wurde er durch das Buch Leviathan von Thomas Hobbes, eine Staatstheorie, die während des englischen Bürgerkriegs (1642-1651) geschrieben wurde. In Hobbes‘ Werk geht es um mehr als eine Pandemie, es geht um den Menschen selbst und seine drei Triebkräfte, die geprägt sind von: Begierde, Angst und Vernunft. Insbesondere der Satz „Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf“, der ursprünglich von Plautus stammt, bedeutet Carlos sehr viel, weil er den Egoismus symbolisiert, erst sich selbst zu helfen, bevor man anderen hilft. Er malte eine Art „papierfressenden Leviathan“, um seine Erkenntnisse zu visualisieren und an die aktuelle Situation anzupassen, die mit dem übereinstimmt, was Hobbes als psychologischen Egoismus darstellt, der natürlich ist und nicht willentlich überwunden werden kann.

Susana Aldanondo

„Ich denke, dass Einsamkeit für jede bahnbrechende Idee und für künstlerische Inspiration notwendig ist. Ich habe in der Vergangenheit Perioden der Einsamkeit erlebt, und obwohl diese Periode der Isolation uns allen auferlegt wurde, habe ich sie im künstlerischen Sinne als eine Gelegenheit zum Überdenken und zur Wiederverbindung mit meinem inneren Selbst und mit meiner Arbeit angenommen. Ich glaube, ich blühe als Künstler auf, wenn mir das Privileg der Einsamkeit gewährt wird.“

Those Lonely Days, 2020
Susana Aldanondo

Susana Aldanondo ist eine international ausstellende Künstlerin aus den Vereinigten Staaten. Sie lebt und arbeitet in New York und ist bekannt geworden für ihren expressiven abstrakten Stil und dafür, dass sie auch bei Regen auf der Brooklyn Bridge malt. Ihre Arbeit ist inspiriert von Lebensgeschichten der Menschen und der Synchronizität des Lebens selbst, von Musik und Rhythmus, von der pulsierenden Kultur New Yorks und der Identität, die sie in sich trägt. Wir sprachen mit Susana über ihre Überlegungen zum Jahr 2020 und darüber, was ihr durch schwierige Zeiten geholfen hat. Sie teilte uns mit, wie wichtig die Artist Residency in Island zu Beginn des Jahres für sie war. Ein Teil dessen, was die Künstler während ihrer Residenz erforschten, war das Konzept der „Zeit“. Zeit im Zusammenhang mit Schwierigkeiten und Widerstandsfähigkeit, Empathie und Mitgefühl. In Zeiten der Isolation und Ungewissheit griff Susana auf die Erinnerungen ihre Zeit in Island zurück. „Im Nachhinein schien es wirklich so, als ob ich eine ‚Vorwarnung‘ in Bezug auf die Idee von Zeit, Geduld, Empathie und Resilienz bekommen hätte“, fügt Susana hinzu. Ein Teil ihrer Inspiration und Arbeitsroutine ist es, im Freien auf der Brooklyn Bridge zu malen. Das ist für Susana eine Möglichkeit, sich selbst herauszufordern und sich an einem ihrer Lieblingsorte in New York inspirieren zu lassen. Leider ist ihr das seit der Pandemie nicht mehr möglich. Genau wie eines ihrer großen Projekte, das Sie wegen der Risiken der Pandemie nicht verwirklichen konnte.

Auf die Frage, ob die Pandemie ihren künstlerischen Stil beeinflusst oder verändert hat, sagte uns Susana, dass dies nicht der Fall ist. Jedoch hat die Pandemie sie herausgefordert neu zu denken, sich zu verbessern und neue Gefühle und Ideen auszudrücken. „Eine globale Krise, wie wir sie gerade erleben, lässt alte Gefühle, alte Ideen und längst vergessene Erinnerungen wieder aufleben. In Erinnerungen liegt Kraft und in die Erkenntnis, dass wir herausgefordert werden, diese zu nutzen, auch wenn wir wegen der Pandemie mit Isolation und Unsicherheit konfrontiert sind. Normalerweise blühe ich in meiner Arbeit auf, wenn ich herausgefordert werde – einige meiner besten Arbeiten entstanden während schwieriger Zeiten in meinem Leben. In der Vergangenheit habe ich mich sogar der Herausforderung gestellt, im Regen zu malen, um meine Widerstandsfähigkeit zu testen. Ich erinnere mich, dass ich mir dachte: „Mal einfach weiter, hör nicht auf zu malen, egal was passiert, male einfach.“ Die Schwierigkeiten der Pandemie haben dieses Gefühl in mir verstärkt.“

Susana hat in diesem Jahr mehrere Kunstwerke geschaffen, die derzeit auf Singulart ausgestellt werden. Auf die Frage, welches Werk für Susana das Jahr am besten widerspiegelt, nennt sie Those Lonley Days und fügt hinzu: „Ich habe es nach dem Gefühl der Einsamkeit betitelt, das die meisten Menschen erlebten und mit der Hoffnung, dass wir etwas Positives in dieser Erfahrung finden können. Wenn wir das Gefühl der Einsamkeit durchstehen, können wir stärker daraus wachsen. Das Gemälde weist auf diese Widerstandsfähigkeit hin und auf die Tatsache, dass wir Erinnerungen wieder aufleben lassen können. Während wir Einsamkeit erleben, wir können auch Erinnerungen schaffen, die uns helfen, diese einsamen Tage durchzustehen.“

Carola Thiele

„Im Wesentlichen hat sich meine Routine nicht verändert, nur die Stimmung der Arbeit. Meine Werke entstehen meist unbewusst. Es gab im Frühjahr eine Zeit da habe ich Wutbilder „geschmiert“.“

Der einsame Clown, 2020
Carola E. Thiele

Die deutsche Künstlerin Carola Thiele stellte ihre Arbeiten international von Japan über England bis in die Vereinigten Staaten aus. In ihrem Oeuvre finden sich surrealistische Landschaftsbilder bis hin zu großformatigen digitalen Arbeiten. Ihr Ziel ist es, nach Freiheit zu streben und die große Ganzheit unserer gemeinsamen menschlichen Existenz in ihrer Kunst zu vermitteln. Die Situation, die wir in diesem Jahr erlebt haben, greift stark in unsere Freiheit ein und hat erst Panik und dann ein Gefühl der Entmündigung hervorgerufen, teilte die Künstlerin mit uns. Jetzt fühlt sie sich zurückversetzt in die DDR. Carola Thiele wurde mitten im tiefsten Winter 1966 in Zossen, am Rande der Berliner Mauer geboren und das stärkste Erlebnis, das sie prägte, war das Aufwachen in einer Diktatur und die Erkenntnis, dass die DDR ihr die Freiheit der Gedanken und der Entwicklung nahm. Zum Glück sind diese Zeiten vorbei. Dennoch ist es nicht verwunderlich, dass die Corona- Maßnahmen Erinnerungen an die Zeit wachrufen, in der Carola ihrer Freiheit beraubt wurde. Die ersten persönlichen Einschränkungen hat sie noch gut in Erinnerung. „Meine erste Absage war eine Ausstellung in Barcelona und mir wurde klar, dass es von nun an schwierig sein würde, meine Werke irgendwo physisch zu präsentieren. Zum Glück konnten im Spätsommer zwei Ausstellungen in Zürich und London stattfinden.“ Im gleichen Atemzug betont Carola auch, wie wichtig die Präsentation auf dem Online-Kunstmarkt für sie in diesen Zeiten war und ist. „Ich habe meine Präsentation auf dem Onlinemarkt ausgebaut. Das war für mich kein Problem, da ich den Online-Markt schon sehr lange nutze. Seit 2019 bin ich Künstlerin bei Singulart und ich bezeichne Singulart als einen Meilenstein für den Online-Markt.“

Als wir fragten, inwieweit die Pandemie sie beeinflusst, herausgefordert oder ihren künstlerischen Ausdruck verändert hat, sagte Carola, dass dies nur kurzfristig der Fall war. „Mein Spektrum an Stilen lässt sich ohnehin nicht kategorisieren. Meine Arbeiten entstehen meist unbewusst. Auch wenn es im Frühjahr eine Zeit gab, in der ich Wutbilder ‚geschmiert‘ habe. Meine Kreativität hingegen ist überhaupt nicht eingeschränkt worden. Ich denke, dass sie eher freigesetzt wurde. Die Ängste der Menschen zerren an mir und mittlerweile möchte ich das, was streitbar ist, verbinden. Die gespaltene Gesellschaft der Querdenker und Befürworter hat eines gemeinsam – die Angst. Der Querdenker vor einer Diktatur, wirtschaftlichem Ruin und Entmündigung und die Befürworter haben Angst um ihre Mitmenschen und Angehörigen. Inzwischen versuche ich die geteilten Meinungen in unserer Gesellschaft nicht noch anzufeuern. Eine Meinung zu haben ist eine Freiheit, die nicht unterdrückt und zensiert werden darf.“

Carola Thiele hat in diesem Jahr verschiedene Perspektiven auf die Corona-Pandemie visualisiert. Der einsame Clown ist eine Hommage an alle darstellenden Künstler, die von der Pandemie enorm betroffen sind. Die Arbeit Stay home 3 ist eine Anklage gegen die entmündigenden Maßnahmen und die Arbeit Der Hirte ist eine Satire auf unseren neue Glaubensrichting und eine Sehnsucht nach Führung, erklärt uns Carola. Alle Werke sind bei Singulart erhältlich.

Es wird deutlich, dass die individuellen Erfahrungen unserer Künstler ähnlich sind, trotz der verschiedenen Länder und Kontinente, auf denen sie sich befinden. Eine Botschaft bleibt universell: Wir alle sollten positiv auf das Jahr 2021 blicken und uns an den schönen Dingen des Lebens erfreuen. Die Kunst gehört dazu, denn sie vereint und verbindet uns in diesen unsicheren Zeiten.

Wir möchten uns bei unseren Künstlern, Sammlern und allen Kunstliebhabern bedanken, die uns in diesem Jahr ihr Vertrauen geschenkt haben. Wir sind schon fleißig in der Planung für das kommende Jahr und freuen uns neue Projekte bald mit ihnen zu teilen. Wir wünschen Ihnen ein frohes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins Jahr 2021.

Lassen Sie sich von unserer neuen Kollektion Der neue Statuts Quo inspirieren, die Kunst von unseren talentierten Singulart-Künstlern zusammenbringt.