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Singulart im Gespräch mit dem Innenarchitekten Laurent Maugoust

Laurent Maugoust, Absolvent der renommierten Camondo Hochschule, leitet heute als Direktor seine eigene Innenarchitekturagentur. Seit über 15 Jahren liegt seine Expertise vor allem in der Einrichtung hochklassiger internationaler Hotels. Im exklusiven Interview mit Singulart berichtet Maugoust von seinem Werdegang und seinen Projekten.

Was hat Sie dazu angeregt Innenarchitekt zu werden?

Mein Vater ist von Architektur begeistert. Daher bin ich in einem Umfeld aufgewachsen, das generell sehr der Kunst zugeneigt war. Schon immer habe ich es geliebt zu zeichnen und verfolgte seit meinem 12. Lebensjahr Zeichenkurse an der Beaux-Arts Kunsthochschule. Mir war jedoch nie klar, wie man von dieser Passion leben könnte. Theoretisch hätte ich technischer Zeichner oder Bühnenbauer werden können. Da ich jedoch regelmäßig auf Baustellen arbeitete und dort miterleben konnte, wie sich Bauprojekte nach und nach entwickelten, war meine Entscheidung schnell getroffen.

1999 habe ich dann die Camondo Schule abgeschlossen. Obwohl zu dieser Zeit der Trend eher in Richtung eines radikalen Vokabulars gingen, war ich immer eher den Gegenüberstellungen, Vorhängen und Ornamenten zugeneigt. Bereits früh hatte ich die einzigartige Möglichkeit mit passionierten Menschen zusammenzuarbeiten, darunter Patrick Rubin, Marc Mimram und Christian de Portzamparc. Danach habe ich als Art Director im Team von Philippe Nuel angefangen und seither reihte sich Projekt and Projekt.

Wie arbeiten Sie? Wie gestalten sich Ihre kreativen Prozesse?

Ich arbeite instinktiv und versuche bei jedem Projekt eine einzigartige Handschrift zu hinterlassen. Selbstverständlich liebe ich es an historischen Orten zu arbeiten. Um ganz ehrlich zu sein, als eingefleischter Pariser, habe ich einen speziellen Geschmack für klassische Haussmanbauten.

Dabei geht es vor allem darum, einen Dialog mit den historischen Spuren eines Gebäudes aufzubauen – ich bevorzuge es, die originale Typologie eines Ortes aufrechtzuerhalten. Bei meinen Hotelprojekten bin ich auf dichte Vorgaben angewiesen, bevorzuge es jedoch frei mit Skizzen zu arbeiten. Die Volumen und das Licht machen 70% eines Projektes aus, meine Arbeit liegt darin diese hervorzuheben. Bei dem Rest würde ich sogar soweit gehen, es als Accessoire zu bezeichnen. Einige Projekte, bei denen die Besitzer eher „zerstören“ als „restaurieren“ wollten, habe ich daher bereits abgelehnt. Grundsätzlich engagiere ich mich für Restaurierungen, kann mich aber auch für ambitionierte zeitgenössische Projekte begeistern.

Laurent Maugoust – Hôtel Roosevelt
Bildrecht: Guillaume Grasset

Auf welches Ihrer Projekte sind Sie am meisten stolz? 

Aktuell arbeite ich an einem 5-Sterne-Projekt in einer Alten Polizeikaserne im 18. Arrondissement von Paris. Dabei kommt alles zusammen, was ich an meiner Arbeit so liebe, kann Ihnen momentan aber lediglich Skizzen zeigen. Unter den zahlreichen Projekten, die ich bisher realisieren durfte, würde ich sagen, das Bowman Hotel in Sachen Projektreichweite, das Trinité Haussmann, das eher ein altes Projekt, jedoch eines meiner Favoriten ist. So auch das auf Farben zentrierte Projekt des Roosevelt Hotels, auch wenn es sich nicht um meine Lieblingsfarbe handelt, finde ich das Endergebnis sehr gelungen. Ich liebe es mit dem Klienten zusammenzuarbeiten; die Qualität der zwischenmenschlichen Beziehung ist dabei ein wesentlicher Faktor für den Erfolg eines jeden Projektes.

Wie sieht Ihrer Meinung nach der aktuelle Trend für Innenarchitektur aus?

Keine Ahnung, ich interessiere mich nicht besonders für Trends. Ich versuche diese so gut wie möglich zu vermeiden, auch wenn uns Ökonomie und Marketing oft in diese Richtung drängen. Vom Zeitpunkt, an dem wir ein Projekt vereinbaren, bis zum letztendlichen Abnahmedatum vergehen oft zwischen einem und drei Jahren. Es ist wichtig sich von solchen Gedanken frei zu machen, wenn man eindeutig und zielführend arbeiten möchte. Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass wir uns in einer mehr zukunftsgerichtete Denkweise verpflichten müssen.

Sollte ich eine Richtung angeben müssen, würde ich die der Suche nach Nachhaltigkeit nennen. Meiner Meinung nach ist es die einzig zielführende.

Welcher ist Ihr Lieblingsort in einem Haus?

Besonders gerne mag ich die versteckten, vergessenen und obsoleten Räumlichkeiten: ein Flur, ein Belvedere, ein Vorzimmer oder schmale Gänge. Ich finde, dass alleine schon deren Namen ein starkes Suggestionspotential haben. Bei einem länger zurückliegendes Projekt eines Restaurants in Avignon habe ich Toiletten eingerichtet, die mir noch bis heute gefallen. Alle haben nur noch davon geredet. Ein gelungener Ort ist unmittelbar, eine Alchemie. Ein Hotel neu zu denken ist sehr ambivalent, da man etwas außergewöhnliches und gleichzeitig familiäres sucht.

Wo finden Sie Inspiration?

Aus ganz unterschiedlichen Quellen, sicherlich habe ich meine festen Referenzen. Ich habe sicherlich bereits 20-mal Der Leopard (1963) und 2001: Odyssee im Weltraum (1968) zitiert. Konkret glaube ich jedoch, dass Inspiration ein komplexes Gewebe eines ganzen Lebens ist. Wenn ich mich festlegen müsste würde ich Hieronymus Bosch nennen. Man würde nicht erraten, wie er bereits meinen Stil beeinflusst hat. Ich selbst sehe diese Einflüsse sehr genau, grundlegend ist das aber nicht so wichtig, es gibt für Inspiration kein richtiges oder falsches Rezept.

Haben Sie einen Rat für unsere Sammler, die ihr Zuhause umdekorieren möchten? Womit sollte man anfangen?

Wenn man das Glück hat ein echter Sammler zu sein, sollte sich der Raum vollends nach den erworbenen Werken richten. Momentan tendiere ich mehr zu wohnlich vornehmen Stilen. Viele meiner Projekte gehen in diese Richtung, vor allem wenn es um Möbel geht. sich grundsätzlich verschiedene Projekte gleichzeitig vorzunehmen kann sehr stimulierend sein. Das motiviert und hilft bestimmte Dinge zu hinterfragen.

Was ist Ihre schönste Erinnerung als Innenarchitekt?

Das Projekt Henri Charpentier in Japan. Da war ich erst 27 Jahre alt und Art Director bei Jean Philippe Nuel. Grundidee war ein französischer Teesalon in Tokyo, Osaka und allen anderen Ecken des Landes. Mit den japanischen Kollegen zu arbeiten war wirklich ausgezeichnet und grundlegend für meine Arbeit dort. Daher bin ich auch 2019 dorthin zurück um eine Presidentensuite in Tokio einzuweihen und fand meine guten Erinnerungen von damals wieder. Es gibt wirklich eine ganz besondere Verbindung zwischen der französischen und japanischen Kultur. Ich spreche kein Wort japanisch, aber mittels Zeichnungen war es gar kein Problem miteinander zu kommunizieren. Ich mag diese Herausforderungen gemischt mit Klarheit.

Hyatt Place Tokyo Bay – Laurent Maugoust

Wer ist Ihr Lieblingskünstler?

Hieronymus Bosch hatte ich bereits vorher genannt, fordere aber einen gewissen Eklektizismus. Ich liebe die Land Art, Richard Long, Christo, James Turrell aber auch Delacroix, van Eyck, Dalí, Pierre Soulages und Jean-Pierre Raynaud. Und Jean-Jacques Sempé seit ich denken kann.

Was macht für Sie die Beziehung zwischen Kunst und Innenarchitektur aus?

Das kommt ganz darauf an, was Sie als Kunst verstehen…nicht alles ist ein Kunstwerk und eine systematisch aufgebaute Sammlung sagt viel über Ihren Sammler aus. Eine relevante und anspruchsvolle Inneneinrichtung zu konzipieren beutetet für mich paradoxerweise sich selbst „auszulöschen“.