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Meisterwerke: Gegensätzliche Formen von Fernand Léger

Gegensätzliche Formen

Gegensätzliche Formen von Fernand Léger, Originaltitel Contraste de formes, verdeutlicht Légers Experimentieren mit den Grenzen von Abstraktion und Darstellung, ein Thema, das ihn während seiner gesamten Karriere beschäftigte. Durch die Gegenüberstellung von taumelnden geometrischen Formen, breiten Linien und Primärfarben auf einer rohen Leinwand verschob er die Grenzen des Kubismus in die Abstraktion, um das moderne Leben bestmöglich darzustellen. Singulart wirft in diesem Beitrag einen genaueren Blick auf Légers bahnbrechende Serie im Kontext seines Gesamtwerks und der Geschichte der modernen Kunst.

Wer war Fernand Léger?

Fernand Léger (1881-1955) war ein französischer Maler, Bildhauer und Filmemacher. Geboren in Argentan in der Normandie, wuchs Léger auf der Rinderfarm seines Vaters auf. Zwischen 1897 und 1899 machte er eine Architektenausbildung, bevor er 1900 nach Paris zog und 1902/1903 den Militärdienst in Versailles absolvierte. Mit 25 Jahren begann er ernsthaft zu malen, wobei seine frühesten Werke von den Impressionisten und den Fauvisten beeinflusst sind. Nachdem er 1907 die Cézanne-Retrospektive gesehen hatte, verlagerte sich der Fokus seiner Arbeit auf die Geometrie und die Darstellung eines dreidimensionalen Objekts auf einem zweidimensionalen Untergrund.

Portrait of Léger, the artist behind Contrast of Forms.
Porträt von Léger

1910 stellte er neben den Kubisten im Salon d´Automne in Paris aus. Seine eigene Form des Kubismus bezeichnete er als „Tubismus“, weil er sich mehr mit zylindrischen Formen als mit ebenen Flächen beschäftigte. Von da an wurden seine Werke zusehends abstrakter, als er die Grenzen des Kubismus in die reine Abstraktion verschob. 1914 wurde er zum Kriegsdienst eingezogen, und wie bei vielen Künstlern seiner Generation hatte der Erste Weltkrieg eine starke Auswirkung auf seine späteren Werke. Geprägt von der Kriegsmaschinerie, wurden seine Bilder mechanischer und kehrten zu formaleren Themen zurück.

Durch sein Interesse an der Moderne entwickelte Léger auch eine Leidenschaft für das Filmemachen und entwarf die Kulissen für mehrere Filme. Während des Zweiten Weltkriegs lebte er in den USA und unterrichtete in an der Yale University. Nach seiner Rückkehr nach Frankreich 1945 trat er der Kommunistischen Partei bei, und seine Arbeit wurde figurativer. Auch wenn er während seiner gesamten Karriere zwischen Abstraktion und Figuration pendelte, war es immer sein Ziel, das Objekt über das Subjekt zu stellen, was seine Serie Gegensätzliche Formen (1913-1914) verdeutlicht.

Was ist in Gegensätzliche Formen zu sehen?

Die Serie Gegensätzliche Formen mit rund 50 Werken verkörpert Légers Abkehr von den gegenständlichen Überlegungen hin zu einem Fokus auf die Komposition und kennzeichnet die Reifung seines abstrakten Stils. Sie ist für die Geschichte der modernen Kunst zu Beginn des 20. Jahrhunderts ebenso wichtig wie für die Entwicklung des Kubismus und die Entstehung der abstrakten Kunst. In dieser Serie malte Léger Variationen einer logischen, geometrischen Sprache, die aus zylindrischen Formen, sich überschneidenden Körpern und Freiräumen mit Linien und Flecken in unmodulierten Primärfarben besteht. Die Leinwand ist stellenweise zwischen und unter den Farben und Formen freigelegt.

Das verleiht der Komposition eine rohe, unbearbeitete Qualität und verschiebt den Fokus von einem traditionell dargestellten Sujet auf die Mechanik der Darstellung selbst. Entscheidend dafür ist das Einsetzen von Kontrasten. Léger widmete seine Aufmerksamkeit nicht mehr der korrekten Positionierung von Licht, um ein traditionelles Chiaroscuro zu schaffen. Stattdessen setzte er scheinbar zufällige Lichtpunkte, um ein Gefühl der Dissonanz und der Intensität zu erzeugen, wodurch er sich mit seinen Werken noch weiter von einer reinen Darstellung distanzierte.

Die Wirkung von Gegensätzliche Formen

 Fernand Léger, Contrast of Forms, 1913.
Fernand Léger, Gegensätzliche Formen, 1913. Image via MoMA.

Mit Gegensätzliche Formen ließ Léger alle seine bisherigen Einflüsse hinter sich und bewegte sich in ein eigenes Pionierreich. Obwohl er stark von Cézanne und den Kubisten beeinflusst war, lehnte er deren Interesse an gegenständlichen Ebenen ab und meinte, dass sie sich immer noch zu sehr auf die visuelle Darstellung verließen. Gegensätzliche Formen veranschaulicht seine Theorie, dass ein Gegenüberstellen von Farben und Linien, festen und ebenen Flächen nicht nur die stärkste Bildwirkung erzeugt, sondern auch die geeignetste Art ist, das moderne Leben darzustellen. Léger erklärte, dass die malerischen Fortschritte, die er in Gegensätzliche Formen erzielte, eine Bestätigung seines Glaubens an das moderne Leben und die Popkultur seien. Bis zu einem gewissen Grad kann seine Vereinfachung der Form auch als Ausgangsbasis für die Pop Art gesehen werden.

Légers Interesse an einer präzisen Abbildung von Objekten, was in Gegensätzliche Formen veranschaulicht wird, war für ihn ein Ausgangspunkt, um seine Darstellungsweise des modernen Lebens intensiv zu erkunden. Die in dieser Serie entwickelten Prinzipien wandte er auf seine späteren figurativen Arbeiten weiter an, wobei er die menschliche Gestalt als dreidimensionales Objekt und nicht als emotionales Subjekt behandelte.

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