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Meisterwerke: Die großen Badenden von Paul Cézanne

Die Badenden

Paul Cézanne ist einer der meistgefeierten Künstler des Postimpressionismus und gehört zu den Wegbereitern der klassischen Moderne. Seine Arbeiten inspirierten Künstler wie Picasso und Matisse, der meinte, Cézanne wäre „der Vater von uns allen“. Einige von Cézannes bemerkenswertesten Arbeiten sind Teil seines Zyklus mit Badenden als Sujet, und davon ist für viele das Ölgemälde Die großen Badenden (Originaltitel Les Grandes Baigneuses) das definierende Meisterwerk, das zudem ein Wegbereiter für den Malstil des Kubismus war. In diesem Beitrag geht Singulart näher auf die Bedeutung des Kunstwerks ein.

Wer war Paul Cézanne?

Paul Cézanne wurde am 19. Januar 1839 im idyllischen Aix-en-Provence in Südfrankreich geboren. Als Sohn einer wohlhabenden Familie konnte er eine Schule besuchen, die sein Interesse an der Kunst förderte. 1861 überredete er seinen Vater, ihn mit seinem engen Freund, dem Schriftsteller Émile Zola, nach Paris ziehen zu lassen, anstatt das Bankhaus der Familie zu übernehmen. Er begann sein Studium an der Académie Suisse, war aber von Selbstzweifeln geplagt. Fünf Monate später zog er wieder nach Aix-en-Provence, nur um kurz darauf abermals nach Paris zu gehen und sein Studium fortzusetzen. Die Isolation des Landes sagte dem menschenscheuen Cézanne weitaus mehr zu als das Großstadtleben.

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Obwohl er heute als einer der großen Meister anerkannt ist, litt er unter den schlechten Kritiken, die seine Bilder bekamen. Als Zola einen Roman veröffentlichte, in dem die beiden Hauptfiguren ein gescheiterter Künstler und ein gefeierter Schriftsteller waren, die mit großer Wahrscheinlichkeit auf Cézanne und Zola selbst basieren, zerbrach die Freundschaft, und die beiden wechselten nie wieder ein Wort miteinander.

In den letzten drei Jahrzehnten seines Lebens fand Cézanne zunehmend mehr Anerkennung. Er entwickelte seine berühmte Maltechnik aus nebeneinander gesetzten Pinselstrichen, während er zuvor Palettenmesser verwendet und so stark strukturierte Gemälde geschaffen hatte. Im Gegensatz zu seinen Zeitgenossen führte er Pinselstriche nicht skizzenhaft aus, sondern bevorzugte bewusste, überlegte Striche, die er sorgfältig zu geometrischen Formen anordnete. Diese Technik definiert seine Gemälde und hebt ihn von der dunklen Konturenführung vieler seiner Zeitgenossen ab.

Mit zunehmendem Alter zog sich Cézanne immer mehr zurück. Er lebte nördlich von Aix-en-Provence, wo er auch ein Atelier errichten ließ, samt einem langen Spalt in der Mauer, um natürliches Licht für seine großformatigen Gemälde zu haben. Wenige Jahre vor seinem Tod 1906 erklärte Cézanne seine Isolation mit den Worten: „Ich verstehe die Welt nicht, und die Welt versteht mich nicht, darum habe ich mich von der Welt zurückgezogen.“

Zyklus der Badenden

Seit den 1870er Jahren konzentrierte sich Cézanne in seiner Arbeit auf das Sujet von Badenden, wobei es sein Ziel war, eine Harmonie zwischen Mensch und Landschaft zu schaffen. Es wird angenommen, dass Cézanne sich von seiner Kindheit in Aix-en-Provence inspirieren ließ, insbesondere von seinen Erinnerungen an das Baden mit Freunden.

Paul Cézanne, Large Bathers, 1898
Paul Cézanne, Die großen Badenden, 1898

Nachdem er sich in Gegenwart nackter weiblicher Modelle nicht wohlfühlte, nutzte er sein großes Wissen in der klassischen Kunst sowie Skizzen und Fotografien als Vorlage, um den weiblichen Körper darzustellen. Auch bei diesen Werken stand für Cézanne stets der Ausdruck von Gefühlen im Mittelpunkt. „Nach der Natur zu malen, bedeutet nicht, den Gegenstand zu kopieren, es bedeutet, seine Empfindungen zu realisieren.“

Was macht Die großen Badenden so bedeutend?

Das Gemälde Die großen Badenden erhielt seinen Namen, weil es mit den beeindruckenden Maßen von 210,5 cm x 250,8 cm schlichtweg das größte Werk im Zyklus der Badenden ist. Cézanne wollte damit ein zeitloses Gemälde schaffen, unbeeinflusst von den Trends in der Malerei des 19. Jahrhunderts. Er arbeitete sieben Jahre lang bis zu seinem Tod an dem Werk, das dennoch als unvollendet gilt. Zwischen dem satt gemalten Hintergrund und den ausdruckslosen Badegästen entsteht eine Spannung, die durch die mysteriösen Gestalten im Hintergrund noch unterstrichen wird. Zudem blickt gut die Hälfte der Figuren von uns weg, was beim Betrachter Unbehagen auslöst.

Bei Die großen Badenden wird angenommen, dass eine der Figuren auf der linken Seite auf einer Skulptur der Göttin Diana basiert, während eine Figur auf der rechten Seite auf die Venus von Milo hindeutet. Während das Gemälde Die großen Badenden etwas Mystisches an sich hat, gibt es im Unterschied zu vergleichbaren Werken von Tizian und Nicolas Poussin keine direkten mythologischen Bezüge. Die Körperhaltung der Badenden ist zurückhaltend, was in Cézannes Werk allgemein der Fall ist. Ihre Posen haben nichts Erotisches an sich, sie dienen nur als Werkzeuge seiner Kunst.

Einer der wichtigsten Aspekte von Die großen Badenden ist die für Cézanne typische Anordnung in Dreiecksform. Die Gruppen von Badenden auf beiden Seiten des Gemäldes bilden zwei Dreiecke, und das Dach aus Bäumen über ihnen bildet ein größeres Dreieck, das in seiner Form einer gotischen Kathedrale ähnelt. Die Komposition deutet eine Spannung zwischen dem Heiligen und dem Pietätlosen an, strahlt jedoch eine vollkommene Ruhe aus, die nur durch einen einzelnen Schwimmer im Wasser – in der Mitte zwischen den Badenden – unterbrochen wird.

Cézannes Vermächtnis

Zu ihrer Zeit galten Cézannes Werke in ihrer Nonkonformität schon beinahe als hässlich und ernteten reichlich Spott. 1895 war das Publikum entsetzt über ein Gemälde von Badenden, das bei Cézannes langjährigem Galeristen Ambroise Vollard ausgestellt war. Der antimodernistische Kunstkritiker Camille Mauclair meinte: „Cézanne war nie in der Lage, etwas zu schaffen, das man als Bild bezeichnen könnte.“

Nach dem Tod von Cézanne wurden seine Werke im Salon d´Automne in Paris gezeigt. Die Retrospektive war für die avantgardistische Kunstbewegung von großer Bedeutung und führte bei Künstlern wie Kritikern zu neuen Einsichten über die Kunst des 20. Jahrhunderts.

Im Gegensatz zu seinem mittelmäßigen Erfolg zu Lebzeiten gilt Cézanne heute als einer der Väter der modernen Kunst. Durch die vielen verschiedenen Stilrichtungen und Ausdrucksformen in seinen Werken vermochte Cézanne, sowohl die abstrakte als auch die gegenständliche Kunst zu beeinflussen.

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