Künstler

Tanz und Bewegung in der Kunst

Tanz ist eine nonverbale Darstellungs-­ und Ausdrucksform des Menschen, in deren Zentrum die subjektive ästhetische Inszenierung des Körpers und eine Formung der Bewegung in Raum und Zeit entsteht. Tanz und Bewegung wurde in der Kunst vielfältig interpretiert.

Als Sinnbild des modernen Lebens wurde das Thema Tanz seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert von zahlreichen Künstlern aufgegriffen, wobei das Interesse primär dem Studium der Bewegung galt. Die Tanzformationen der Moderne wurden nicht einfach abgebildet, vielmehr finden sich zahlreiche Belege, dass ihre Protagonisten in einen aktiven Austausch mit Bildkünstlern traten. Tanz ist ein zentrales Ausdrucksmittel des Menschen und als solches ein überaus beliebtes Sujet der bildenden Kunst.

Ernst Ludwig Kirchner Ekstase des ersten Sehens

„Mit kühnen Strichen schnell etwas festhalten, das übte ich, wo ich ging und stand, überall – und zu Hause machte ich aus dem Kopf grössere Zeichnungen und lernte so die Bewegung fassen und fand neue Formen in der Ekstase und Eile dieser Arbeit, die ohne naturgetreu zu sein, doch alles grösser und deutlicher gab, was ich sah und geben wollte.“

Ernst Ludwig Kirchner

Der deutsche Maler und Grafiker Ernst Ludwig Kirchner ist einer der wichtigsten Vertreter des Expressionismus und Gründungsmitglied der Künstlergruppe Brücke. Zeit seines Lebens studierte er die Bewegungen des Körpers. Seine Inspiration fand er auf den Straßen, in den Varietés und Kabaretts von Berlin. Es ist nicht verwunderlich, dass sich das Thema Tanz deshalb wie ein roter Faden durch sein Schaffenswerk zieht. Dies macht den damaligen Stellenwert des Tanzes in der Popkultur deutlich, hat bei Kirchner jedoch auch persönliche Beweggründe. Seine Lebensgefährtin Erna Schilling sowie deren jüngere Schwester Gerda waren beide Tänzerinnen, auch die  Ausdruckstänzerinnen Nina Hard und Gret Palucca inspirierten Kirchner in den 1920er Jahren zu Bildern, deren Motive Tanz, Varieté und Exotik thematisieren. Er nutzte verschiedene Techniken (Holzschnitt, Lithografie), um den Tanz zu visualisieren. Die Pastellzeichnung Tanzpaar von 1914 zeigt Tänzer, deren Pose steif und mechanisch anmutet. Kirchner hat die Körper auf geometrische Formen reduziert und erzeugt gleichzeitig durch seinen unruhigen, nervösen Duktus eine kontrastreiche Spannung zwischen Geradlinigkeit und äußerster Dynamik. Es handelt sich um eine Vorstudie für das im selben Jahr fertiggestellte Gemälde. Kirchner wählt eine Komposition, in der die Tänzerin in einer akrobatischen Körperhaltung präsentiert wird. Kopfüber im Spagat stehend, dem Betrachter provozierend zur Schau gestellt, weckt nicht nur die Körperhaltung, sondern auch die Farbigkeit erotische Assoziationen. Nicht die exakte Studie der Form der tänzerischen Pose interessierte Kirchner, sondern die Suggestion eines Bewegungscharakters.

Wassily Kandinskys Formensuche

„Der ganze Körper des Tänzers ist bis in die Fingerspitzen in jedem Augenblick ununterbrochen eine Linienkomposition.“

Palucca

Die bei Ludwig Kirchner im Ansatz erkennbare Reduktion der Körper auf geometrische Formen führten bei Wassily Kandinsky zu einer tief greifenden wissenschaftliche Auseinandersetzung über die Ursprünge der Formensprache. Durch die interdisziplinäre Untersuchung von Ursprungsformen entwickelte Kandinsky als einer der ersten eine abstrahierte Malweise. In seinen frühen Jahren malte er im gängigen Stil des Impressionismus und wurde dann zum Pionier des abstrakten Expressionismus.

In seinen Jahren als Lehrer am Bauhaus in Dessau entwickelte Kandinsky Theorien über Farben, Linien, Punkte und Formen. Er analysiert dafür verschiedene Kunstformen, wie die Musik und den Tanz und reduzierte danach jede auf ihre einfachste Form, um so ihre Strukturen offenzulegen. 1926 veröffentlichte Kandinsky zwei Aufsätze über seine Formtheorie, die Aufsätze wurden von Fotografien und abstrakten Zeichnungen begleitet. Gret Palucca, eine Pionierin des neuen Ausdruckstanzes, stand Modell für die abstrahierten Zeichnungen.

Alex Katz und Paul Taylor

„The gestures interest me, which go right to the heart of dance.“

Alex Katz
Alex Katz: Paul Taylor Dance Company, 1963/64

Alex Katz entwickelte in den 1960er Jahren seine stark stilisierte Ästhetik und fand eine eigene, unverwechselbare Auflösung zwischen Formalismus und Darstellung. Seit dieser Zeit, lässt sich der amerikanische Maler kontinuierlich vom Tanz inspirieren, beeinflusst durch seine langjährige Zusammenarbeit mit dem modernen Tänzer und Choreografen Paul Taylor (1930-2018). Während er an Bühnenbildern und Kostümen für Taylors Aufführungen arbeitete, entwickelte Katz ein originelles Werk, in dem er Tänzerinnen und Tänzer als Modelle benutzte. Die Unmittelbarkeit von Gesten und Bewegungen erforschte er durch das Medium der Malerei.

Im Juni und Juli 2019 zeigte die Galerie Thaddaeus Ropac in Paris eine neue Serie von Alex Katz, die sich mit Tanz und Bewegung beschäftigt. Seine Kompositionen sind auf das Wesentliche reduziert und zeigen ausschnitthaft isolierte Körperteile. Kontrastiert wird der reduzierte Bildausschnitt von der enormen Größe dieser Werke, die eine gesteigerte Erfahrung der Präsenz des Tänzers ermöglicht. Darüber hinaus intensiviert der monochrome rote Hintergrund die Leuchtkraft und Dynamik der Figuren. Das Gesamtbild kann nicht gesehen werden, trotzdem wird erkannt, dass es sich um Bewegungen des Tanzes handelt. Katz wählt dafür bewusst  Zeichen der nonverbalen Kommunikation. Die Bewegungen der Arme, Hände und des Kopfes begleiten oder ersetzen Mitteilungen. Durch die festgehaltenen Gesten des Tanzes genügen Fragmente, um das größere Bild vor dem inneren Auge zu visualisieren.

Sarah Jil Niklas und die Ästhetik der Skizze

„Da ich selbst Ballett tanze, motiviert mich der Tanz immer wieder auf’s Neue. Aus ihm schöpfe ich die Inspiration zu meinen Motivwelten. Dabei bin ich auf der stetigen Suche nach dem Zwischenmenschlichen. Meine Bilder spiegeln meine Faszination und Sehnsucht nach Verbundenheit, Verschmelzung, dem Miteinander in seiner tieferen Dimension wider.“ 

Sarah Jil Niklas
Sarah Jil Niklas: L’ANIMA PENSANTE II 04, 2017

Die deutsche Künstlerin Sarah Jil Niklas begleitet das Thema Tanz und Bewegung seit vielen Jahren. Als Balletttänzerin sammelte sie praktische Erfahrung, die sie heute in ihrer Kunst visualisiert. Dabei bannt sie nicht nur Eleganz und Ausdruckskraft des menschlichen Körpers auf die Leinwand, sondern legt einen besonderen Fokus auf das Element des Skizzierstils. Durch das künstlerische Element des skizzenhaften Malens evoziert Niklas einen größtmöglichen Eindruck von Spontaneität, Heftigkeit und Unmittelbarkeit. Das suggestive Potenzial der skizzenhaften Darstellungsweise erhöht die Bewegung und Vitalität der Tänzer. In dem Werk L’ANIMA PENSANTE II 04 ist der Ausdruck der schwung- und kraftvoll wirkenden künstlerischen Handschrift besonders eindrucksvoll sichtbar. Obwohl der Betrachter keine Tanzszene sieht, ist der Nachhall der Energie und Bewegung erkennbar. Gleichzeitig ist die Verbundenheit der Tanzgruppe, die durch den Tanz geeint ist, zu spüren.

Sarah Jil Niklas: L’ANIMA PENSANTE III 03, 2020

Der Tanz als Symbol der Einigkeit ist auch in dem Werk L’ANIMA PENSANTE III 03 umgesetzt. Sarah Jil Niklas hält in ihrem signifikanten Stil die expressive Pose eines Tanzensembles fest. Viele Körper verschmelzen zu einer ästhetischen Inszenierung des Baumes des Lebens. Jeder einzelne Körper und Bewegung ist voller Spannung und Energie, die sich in den Fingerspitzen zu entladen scheint. Eine außerordentliche Komposition, die nicht nur das Thema Tanz, sondern auch Zusammenhalt und den Zyklus von Leben und Tod vereint. Entdecken Sie auf Singulart Sarah Jil Niklas ausdrucksstarke Werke.

Carlos Casadesús Fiesta

Carlos Casadesús: Carnaval, 2020

Die Kraft des kollektiven Tanzens können wir in den Werken von Carlos Casadesús, einem talentierten Künstler aus Spanien, erleben. Seine Serie Fiesta dokumentiert ausgelassene Momentaufnahmen von dem Festival El Row in der Nähe von Barcelona, das letztes Jahr noch wie gewohnt stattfand. Heute, mit einer Pandemie, die die ganze Welt im Atmen hält, erzeugen Casadesús Kompositionen eine Gefühlsachterbahn. Das Werk Carnaval zeigt eine Menschenmenge, die gesellig, fröhlich und hemmungslos miteinander tanzt. Die Menschen stehen und tanzen eng zusammengedrängt  –  sie werden eins mit der Musik. Bittersüße Gefühle von einer Zeit, die so nah und doch so fern ist, erwachen unwillkürlich beim Betrachter.

Carlos Casadesús: Dance, 2020

Der Bildausschnitt des Werkes Dance ist noch intensiver in seiner Botschaft. Eine Masse aus Menschen bewegt sich zu unsichtbarer Musik. Wir sehen Berührungen, Unterhaltungen, Interaktionen, die so heute unmöglich erscheinen. Casadesús Serie Fiesta ist Zeugnis einer Unbeschwertheit, die wir alle als selbstverständlich erachtet haben. Die Betrachtung von Dance oder Carnaval lässt uns melancholisch und sehnsuchtsvoll werden. Gleichzeitig steckt in ihnen aber auch die Botschaft der Hoffnung und  Vorfreude, dass wir in der Zukunft wieder miteinander tanzen werden. Casadesús Werke machen wieder einmal deutlich, welche Macht von Kunst ausgeht und wie sehr Interpretationen und Emotionen von ihrer unmittelbaren Zeit beeinflusst werden. Hier können Sie die berauschenden Werke von Casadesús entdecken.

Lassen Sie sich von unserer Auswahl verzaubern und genießen Sie die Bewegung im Bild. Seit Edgar Degas Ballettmädchen hat der Tanz zahlreiche Künstler inspiriert. Zeichnungen, Grafiken und Gemälde, die um das Motiv des Tanzes kreisen finden sie, in unserer neuen Kollektion!