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5 Minuten mit Petra Kaindel

Petra Kaindel ist eine österreichische Künstlerin, die abwechselnd in Österreich und Süditalien lebt und arbeitet. Inhalt ihrer Arbeiten sind hauptsächlich Portraits, in denen die Gefühlswelt im Vordergrund steht. In den gemalten Geschichten spiegeln sich die Erfahrungen und die Persönlichkeit der Künstlerin wieder, alles ist mit ihrem Leben und Gefühlen verbunden, denn Authentizität ist ein wichtiger Aspekt ihrer Arbeit. Singulart hat mit der Künstlerin über ihre kreative Einflüsse und derzeitigen Projekte gesprochen.

Was machen Sie morgens, sobald Sie aufgewacht sind?

Erstmal einen italienischen Espresso 🙂

Ich brauch immer so ein, zwei Stunden des In-die-Luft-schauens, um in die Gänge zu kommen, und dann mach ich mir einen Plan, wie mein Tag ungefähr aussehen wird. Wird recherchiert, gespannt, grundiert, kümmere ich mich um Werbung, ums Fotografieren oder Hochladen der Bilder, um die Aktualisierung der Webseite, Versand von Katalogen? Social Media natürlich, Instagram, Facebook, Mails. Also, nicht immer rein kreative Tätigkeiten, aber all das gehört auch dazu, wenn man freischaffend tätig ist. Man ist sein Chef und seine Angestellten gleichzeitig.

Was anderes ist, wenn ich bereits mitten im künstlerischen Arbeitsprozess bin. Das zieht mich dann an, da spüre ich Ungeduld, die ich sonst eigentlich nicht habe und will nichts anderes machen als Malen. Rein in die bekleckerten Klamotten und ran an die Staffelei, die mich dann nicht mehr loslässt, bis ich merke, ja, das wird so ungefähr, wie ich es mir vorstelle, weil da ja nicht gleich am ersten Tag ein Meisterwerk steht. Die Arbeit erfordert eine Menge Konzentration. Aber wenn es langsam Form annimmt,  lasse ich mich ganz in mein Bild fallen und die Außenwelt verschwindet.

Female artist – Penis envy (2016), Petra Kaindel

Was inspiriert Sie dabei besonders?

Bilder, Filme, Musik, Nachrichten, Aktuelles, Erinnerungen, Gefühle… ein Satz, ein Buch, ein Traum. Alles in mir und um mich herum.

Ich hab den Kopf immer voller Ideen, und muss mir Skizzen machen oder kleine Anmerkungen, damit ich sie nicht vergesse. Das überschlägt sich fast. Ich male NIE an zwei oder mehreren Bildern gleichzeitig, jede Arbeit hat meine alleinige Aufmerksamkeit, daher kann ich nur eine Idee nach der anderen „verarbeiten“, und dann, nach einer kurzen Pause, folgt die nächste.

Musik ist Inspiration pur, ein Text, eine Melodie, das geht mir direkt unter die Haut. Ich höre einen Song, der mich berührt, und – voilà – ist das Bild im Kopf da. Ich versuche dann, das handwerklich so gut wie ich eben kann – oder so gut wie nötig – umzusetzen, bis diese Geschichte erzählt ist, die ich erzählen will. Das klingt einfach, aber für so manches Bild habe ich jahrelang gewartet, bis ich soweit war, eine Idee meinen Vorstellungen entsprechend umzusetzen. Zum Beispiel jetzt für ein aktuelles Bild, das Lied geistert mir seit 1995 im Kopf herum („One of us“) , aber die Protagonisten für die perfekte Umsetzung hab ich 2020 gefunden als ich eine Netflix-Serie geschaut habe. Also hab ich fünfundzwanzig Jahre auf das Bild gewartet. Das ist jetzt im Moment allerdings unverkäuflich, ich muss ich erst mal selbst genießen.

Wie sieht Ihr Arbeitsplatz aus?

Ich habe ja zwei Ateliers, eines in Italien und eines in Österreich. Und keines ist ideal, um die Wahrheit zu sagen, aber es ist halt wie es ist.

In Italien kann ich auch in einem riesigen Garten arbeiten, das ist nett, wenn dann die Hühner und Katzen um mich rum laufen während ich arbeite. Lästig sind die Moskitos.

Das Haus am Meer (mit Katze) (2017), Petra Kaindel

Es ist eine logistische Herausforderung, wenn fast zweitausend Kilometer zwischen dem einen und dem anderen Arbeitsplatz liegen, ich hab nicht immer alle Arbeiten an einem Ort natürlich und es passt auch nicht immer alles in ein Flugzeug, also muss ich öfter mit dem Auto fahren.

Immer daran denken, alles doppelt an Material zu haben und sich dann auch erinnern, wo. Irgendwas kommt immer dazu und irgendwas bleibt immer zurück…

Das hält wach auf der einen Seite, aber auf der anderen fühl ich mich dadurch auch hin- und hergerissen, was sich sicher in vielen Arbeiten spiegelt.

Würden Sie uns Ihre Maltechnik und Ihren Stil beschreiben?

Ich sag mal, hauptsächlich figurativ und realistisch, aber es kann auch hin und wieder abstraktere Züge annehmen, da bin ich irgendwie „Slave to the music“, wenn ich mal einen Song verwende, der schnell ist und sich dann der Pinselstrich verändert. Das Werk muss eine Geschichte erzählen oder ein Gefühl transportieren können. Oft denk ich, oh, diese Idee setze ich jetzt eher abstrahiert um. Und dann wirds ganz realistisch – oder umgekehrt. Ich lasse mich einfach darauf ein.

Aber wie auch immer, bleibt es doch unverkennbar meine Handschrift. Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich ein Fan von Zeichentrick war und bin. Ich habe zwanzig Jahre nur gezeichnet, bevor ich begonnen habe, auch zu malen… So haben sich meine Gesichter ein gewisses Kindchenschema behalten. Ich höre oft, dass die Menschen meine Bilder sofort erkennen, auch wenn ich sie nicht signieren würde, und das finde ich gut, weil das für einen hohen Wiedererkennungswert spricht. Aber das ist keine Absicht, das hat sich einfach so ergeben, weil ich so viel gezeichnet habe. Also mein Stil ist authentisch und die Gefühle, die ich ausdrücke, und die Themen, die ich aufgreife, sind es auch.

Was sind die wichtigsten drei Utensilien in Ihrem Atelier?

Also abgesehen vom Naheliegenden wie Pinsel und Farbe? Dann würde ich sagen, das wichtigste Utensil ist eine gut funktionierende Sprühflasche, so eine, die man auch für Pflanzen verwendet, damit ich die Acrylfarbe immer feucht halten kann.

Eine Musikanlage, die „Repeat“ drauf hat, damit ich ein Lied gefühlte dreitausend Mal hintereinander abspielen kann… und eine italienische Espressomaschine.

Am Ende des Tages (2015), Petra Kaindel

Wie stellen Sie fest, dass ein Kunstwerk fertig ist?

Ich glaube, dann, wenn ich denke, dass eine Geschichte fertig erzählt ist.

Aber dann beginnt schon oft ein innerer Kampf, mache ich weiter, weil ich es dem Perfektionismus schulde? Lasse ich es eher minimalistisch und gebe mehr Raum für Phantasie?

Ist das Bild von Anfang an sehr realistisch aufgebaut, von der Figur her, muss auch der Rest passen, obwohl bei mir die Detailverliebtheit beim Gesicht oft aufhört.

Die Augen, der Mund, daran arbeite ich am liebsten. Darin könnte ich mich verlieren, weil jeder Millimeter am Auge – oder auch am Mund – den Ausdruck, die Emotion komplett verändern kann. Das fasziniert mich. Andere Details zu perfektionieren ist für mich eher nicht so spannend, aber naja, manchmal werden halt auch tagelang Bäume gemalt, wenn das zur Story dazugehört, oder wie bei einem ganz aktuellen Werk, ein Schaukelpferdchen („Never forget your childish dreams“).

Was machen Sie gerne, um sich nach einem Arbeitstag zu entspannen?

In Italien ist das Meer nicht weit, und so oft wie möglich geh ich schwimmen und wenn nur für eine Stunde am Tag. Ich liebe das Meer, den Horizont, dieses Gefühl der Weite und der Freiheit. Herrlich!

Im Winter, in Österreich, Wasser in gefrorener Form: Beim Eislaufen, eines meiner aktuellen Bilder zeigt eine Eiskunstläuferin, sehr verwaschen („Auf dünnem Eis“). Beim Eislaufen geht es mir wie beim Malen, da bin ich einfach glücklich, das ist auch so eine Harmonie aus Bewegung und Musik.

Und wenn ich grad keines von beiden habe: Ein Glas Wein geht immer 🙂

Auf dünnem Eis (2020), Petra Kaindel

Was ist Ihr Lieblings Aspekt in Ihrem kreativen Arbeitsprozess?

Das Fallenlassen in eine andere Welt. Die Freude am Machen. Eins sein mit einer Geschichte, die man selbst kreiert, eins sein mit der Musik und dem Entstehen einer Figur, die es vorher nicht gab. Die Kommunikation mit dieser Figur, die sich langsam formt. In so eine Arbeit packt man seine ganze Energie und Liebe rein und ich finde, das spürt man dann, wenn man das fertige Werk vor sich hat.

Wenn Menschen emotional berührt werden von einem Bild. Von meinem Bild. Ich meine – WOW – das berührt mich auch, das zu hören. Das kann Kunst. Dich berühren…

Das bedeutet mir viel, weil mir jede meiner Arbeiten etwas bedeutet. Irgendetwas hat mich dazu gebracht, genau dieses Bild zu diesem Zeitpunkt zu malen und meine Energie, meine Lebenszeit, mein Gefühl und mein Können da hineinzustecken.

Vielen Dank für das Interview Petra! Alle Werke können Sie auf dem Singulart Profil von Petra Kaindel entdecken.